Madrid 2007-2008

Mittwoch, 24. Oktober 2007

Die Wohnung

Auf Anraten einiger ERASMUS-Veteranen hab ich meine Wohnung im Stadtkern gesucht, ungefähr am Nordende des direkten Stadtzentrums (wer aus Trier-Kürenz kommt, muss halt sofort wieder in den Norden) im Stadtviertel Argüelles liegt sie nun.

02-ZimmerIch habe ein Zimmer im "interior", also im inneren Teil des Hauses, ohne Fenster in einer der Außenwände (in Madrid ist das sehr üblich; hier und da werden sogar Interior-Zimmer ganz ohne Fenster vermietet!). Da ich im Erdgeschoss wohne und das Haus sechs Stockwerke hat, ist direktes Sonnenlicht eher Mangelware. So kann es im Zimmer schon Mal nach Halbdunkel aussehen, während vor der Haustür die Sonne brennt. Fertig eingerichtet bin ich nun, Ikea sei Dank.

07-BadezimmerDie Wohnung ist insgesamt nicht gerade groß, liegt aber wegen jüngster Renovierung deutlich über dem, was ich in Madrid als Standard ansehen würde. Neues Laminat, frisch gestrichen, WLAN, Cerran-Kochfeld, Luxusdusche... und das Ganze für einen nicht völlig ruinösen Preis; zummal die Kaution nichtmal ein Viertel einer Monatsmiete beträgt! 16-KuecheEigentlich habe ich zwei spanische Mitbewohner, in der Praxis ist es aber nur ein halber: Ángel, der spanische Geschichtsstudent, ist am Wochenende schließlich meist Zuhause im 60Km entfernten Toledo; der andere Mitbewohner ist der Sohn der Vermieterin, der ununterbrochen auf Reisen ist und nur eine Nacht die Woche mal kurz reinschaut. Auf Dauer werde ich wohl wegen Sonnenlicht und mehr Action in die Erasmus-WG einer Freundin umziehen, aber für das erste halbe Jahr ist das hier als Bleibe nicht die schlechteste Adresse.

ERASMUS - Zwischenbilanz

6 Wochen da, alles mögliche gemacht - Zeit, ein wenig Bilanz zu ziehen. Da eh noch einiges an Info aussteht, zerlege ich die Beobachtungen und Gedanken in kleine Brocken. Viel Spaß! Mehr Fotos gibts im Studiverzeichnis.

Dienstag, 25. September 2007

Szenen. Beobachtungen. II

Im Grunde sieht er aus wie die gleiche Sorte Hipster/Szenegänger/Pseudo-Model-Verschnitt, die man auch in jeder beliebigen Großstadtfußgängerzone anspucken kann: weißes Oberhemd (nicht von Mutti! Mit Goldschriftzug) auf brauner und haarloser Brust, etwas weitere Jeans mit allerlei unnötigen Aplikationen wie Nähten, aufgesetzen Taschen und ähnlichem Firlefanz, Goldkettchen und die Art riesige Sonnenbrille, die neben ihm aktuell Millionen weitere Menschen als Kleingeister outet. Ein End-Teenie oder Anfangzwanziger mit Hauptstadtallüren und Profilneurosen, gestriegelt wie ein Pudel und dabei genau so albern in seiner lächerlichen H&M-Mondänität, die immer ein wenig zu weiblich daherkommt. Es stimmt also jedes Detail an diesem Exemplar urbaner Degeneration, nur eines ist, wenn doch vielleicht nicht rein spanisch, sondern Haupt- oder Großstädisch und damit Madrid-speziell, anders: Er krönt sein "Out-fit" mit einem prachtvollen Vokuhila. Nicht den 80er Jahre Deutschland Altherren-Vokuhila mit Schnauzbart, nein, den 200Xer David Beckham-Metrosex-Vokuhila, frisiert von Gerôme oder Yassin im nächstbesten In-Salon, mit angefärbten Spitzen, gern auch zum (angedeuteten) Iro gegelt. Dabei könnte nichts, gerade in Verbindung mit seinem restlichen Äußeren, idiotischer Aussehen. Er ist nicht allein.

***

Sie sitzt auf der Couch und hält die Schlüssel in einer kleinen Plastiktüte auf ihrem Schoß. Die Schlüssel die mich noch von einem neuen Zuhause trennen, nach dem ich nunmehr eine Woche lang gesucht habe. Heute etwas finden wäre perfekt, ich hätte kein Geld verschwendet, wäre trotzdem nicht ab morgen obdachlos (das Hostel ist am folgenden Samstag hoffnungslos ausgebucht). Doch sie gibt sie mir nicht. Sie redet. Sagt, ich solle mich hinsetzen, mich beruhigen. Ich werfe ihr hilflose Floskeln und Aufforderungen entgegen, die den Prozess der Wohnungsübergabe einleiten sollen. Sie reagiert, um sofort wieder abzuschweifen, zu schwadronieren, mir Belanglosigkeiten fünfmal zu wiederholen ohne dass ich sie verstehe oder verstehen müsste. So ging das schon morgens beim Besichtigungstermin.
Nach einer Stunde hilfloser Unproduktivität bin ich mürbe, rufe Marie an, Finanzielles möchte ich nicht wage klären, und manches verstehe ich einfach nicht, teils, wei les sich als ungewöhnlich und umständlich herausstellen soll, teils, weil die alte Frau, die meine Vermieterin werden soll, eine äußerst spanische Angewohnheit zur Meisterschaft gebracht hat: Auf gezielte Fragen, vor allem solche nach Ja oder Nein, wird nie direkt geantwortet. Stattdessen wird abgewogen, erklärt, ausgebreitet, schwadroniert, abgeschwiffen. Was im Smalltalk unterhaltsam sein mag, ist ohne Sprachkenntnis, mit starken Dehydrierungskopfschmerzen, müden Beinen und an der Grenze aus der Heimatlosigkeit eine Tortur. Nach gut zweieinhalb Stunden quälenden Wechsels zwischen kurzem Informationsaustausch und langen Monologen halte ich ein paar Schlüssel in der Hand und verlasse mit Marie fluchtartig die Wohnung, die nun mein Zuhause ist.

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15 Uhr, schnell mal was kopieren. Wenige Meter hinter der Haustür stocke ich. Die heruntergelassenen Rollläden an sämtlichen Geschäften erinnern mich: In Spanien ist die Siesta mehr als nur ein altes Klischee.

Freitag, 14. September 2007

Home Sweet Home

Zugeschlagen! Details folgen!

Donnerstag, 13. September 2007

Personal - Rafael

Im Hostel herrscht eine unglaubliche Fluktuation, ein Kommen und Gehen, fast jeden Tag kommen neue Leute und reisen alte ab; wie in einem surrenden Bienenstock oder einem Ameisenhaufen fühlt man sich bei dem Gewirr aus Sprachen, Nationalitäten, Menschen.

In den mittlerweile 5 Tagen lernt man einige Leute immer besser kennen, Chiara, die Italienerin, Christian, den argentinischen Aufreißer mit dem weichen Kern, Sandra, die kesse Schweizerin... hier soll es jetzt aber um Rafael gehen.
Rafael ist der netteste und freundlichste Mensch der Welt. Punkt. Kommt aus Brasilien, hat gerade eineinhalb Jahre in Berlin gelebt und ist nun für seine Abschlussarbeit in Politik und Sozialwissenschaften in Madrid. Sein Deutsch ist ziemlich gut, wie er ständig unter Beweis stellt. Vor allem aber seine Art ist so entwaffnend offenherzig und mitfühlend, dass es einfach unmöglich ist, in seiner Gegenwart schlechte Laune aufrecht zu erhalten. Ein Phänomen, dieser Mann, ziemlich uneitel, warmherzig, aufgeschlossen. Und sehr interessiert an seinen Mitmenschen. Gestern nun hat er nach langer Suche (deutlich mehr als meine schlappen 5 Tage) eine Wohnung gefunden. Ich habe mich selten so für jemand anderen gefreut, wie in diesem Moment. Könnte ich mir einen Freund hier in Madrid frei wählen, es wäre zweifellos Rafael!

Mittwoch, 12. September 2007

Szenen. Beobachtungen. I

Sie lacht. Was sie dann auf spanisch sagt, verstehe ich Erwartungsgemäß nicht. Trotzdem scheint es etwas freundliches, wenn auch amüsiertes zu sein, was die Frau vom ERASMUS-Amt meiner Uni mir soeben entgegen wirft. Sie wiederholt auf englisch: "Malasana is like Queens in New York" sagt sie mit Blick auf die Wunschviertel auf meinem Wohnungsgesuch und grinst. Dann entdeckt sie in der Auflistung CHueca, das Schwulenviertel. Ihr Mund formt ein süffisantes Lächeln. "Baaad Boy!"

***

Wir sitzen uns gegenüber. Zwischen den Sätzen klopft sie mit ihren Fingern auf den Tisch, ihr Blick wandert dabei durchs Zimmer. 24 Jahre alt, von den Kanaren, Jura im letzten Jahr. Das weiß ich mittlerweile. Auch, welches Zimmer frei ist, ab wann und was es ungefähr kosten wird habe ich begriffen. Bis dahin war es ein weiter weg. Sie ist geduldig, wiederholt ausgiebig, zeigt auf Dinge, sagt Schlagwörter. Irgendwann begriefe ich dann, worum es geht. Jetzt ist das meiste besprochen, wir sitzen voreinander und ich rätsele erneut, was sie mir sagen will. In diesen Momenten fühlt man sich verloren, sprachlos, als wäre einem die Zunge herausgeschnitten worden und man seiner Sprache beraubt. Sie, die Jurastudentin, spricht fast kein Wort englisch. Mein spanisch holpert noch gewaltig. Ich werfe eine Verabschiedungsformel in den Raum. Wir gehen, sie folgt mir vor die Tür. Dann begreife ich: Nicht ich soll das Feuerzeug kaufen, wenn ich die Wohnung haben will; sie will eines besorgen, das alte ist kaputt. Deshalb hat sie wie wild auf den Herd gezeigt.

***

Morgens Optimismus, nachmittags Depression, abends Bier. Der Argentino aus dem Zimmer von Marie und mir macht es richtig, hat keine Wohnung aber eine gute Zeit. Marie erzählt, das Doppelbett hätte gut gewackelt, morgens um 6. Ich habe ihn und seine Eroberung nur ankommen gehört, aber Marie musste im oberen Bett schlafen. Oder es zumindest versuchen. Hostel Dorm Sex, irgendwie mutig. Viva Espana!

Die Psyche...

...kriegt hier ordentlich Futter. Die Momente zwischen "Alles hinschmeißen" und "großartige Stadt" schwanken stark und schnell, der Druck wird nicht weniger, im Hostel suchen irgendwie alle eine Wohnung. Bei Terminen in der nahen Umgebung trifft man dann auch immer alle, die man morgens beim Frühstück sieht. Und ich frage mich immer wieder, warum eigentlich jemand als Spanier aus 20 Wohnungsbewerbern diesen Deutschen mit kaum Sprachkenntnis und geringem Ordnungssinn nehmen sollte. Es geht weiter.

Montag, 10. September 2007

Primeros impressiones

Da ich gestern ein wenig Zeit beim Erkunden der Stadt verbracht habe, hier ein paar kleine Impressionen:

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Der Dude in seiner vorläufigen habitación.

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Hinten links könnte ich morgen schon wohnen, wenn der Termin heute abend ergiebig ist. Die Lage wäre zumindest perfekt.

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Ein Bild aus dem Parque de la montana, direkt 300m entfernt vom vorigen Foto. In der Siesta entspannt sich dort alles von Familien mit Kindern, Studenten, Angestellten bis hin zu Senioren.

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Zwei Bilder der zentralen Gran Via. Man sieht vermutlich, warum sie so heißt.

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Eindrücke aus dem prachtvollen Retiro. Ich habe bisher keinen vergleichbaren Park gesehen, ich war nur in ca. 1/5 unterwegs und war schon sehr angetan, aber die volle Größe muss noch deutlich beeindruckender sein. Das Museo del Prado, an dem ich vorbeigekommen bin, hätte ich ebenfalls gern fotografiert, aber der Zaun mit Sichtschutz lädt nur indirekt dazu ein. Werde ich aber Verbot hin oder her bald nachholen.

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Der Plaza del Chueca im gleichnamigen Schwulenviertel. Ich würde unfassbar gern dort wohnen, super Stimmung, nette Bars und etliche niedliche Klamottenläden. Zum Shoppen und Ausgehen würde ich nach meinem ersten Eindruck dort so oder so immer hingehen wollen.
Schöne Szene: Zwei braungebrannte Kerle laufen Arm in Arm vor mir her. Ein Cabrio kreuzt ihren Weg, der Fahrer offensichtlich ebenfalls schwul. Plötzlich ruft einer der beiden Paartypen: "Oh, er hat ein Auto, und was für ein schönes Auto, ist er nicht niedlich mit seinem Auto!" Auf deutsch hätte das sicher tuckig und nervig geklungen, auf spanisch musste ich einfach nur grinsen.

So far, mehr bei Gelegenheit!
Dude

Samstag, 8. September 2007

Madrid

Erste Zeilen von spanischem Boden... noch fühlt sich das alles sehr fremd an. Bis zum Hostel war der Weg sehr einfach, aber dass man das Hostel tatsächlich unter der notierten Hausnummer im zweiten Stock um drei Ecken herum findet, muss man natürlich wissen. Aber immerhin habe ich hier kostenlos WLAN und damit Zugang zur Welt. Außerdem dürfte es die Wohnungssuche schon Mal immens erleichtern. Ansonsten müssen Hostelbewohner das Feld nach 15 Minuten vorm Rechner räumen.

Auch eine Bettdecke und mein Zimmer konnte ich mir mit Händen, Füßen und einem enormen Kauderwelsch aus Englisch, Spanisch und Französisch organisieren.

Ich bin müde, und vermisse Manches (Sweetness!), und kann mich kaum verständigen. Wird spannend, das. Aber ich bleibe dran.

Grüße an Alle, die das hier lesen sollten, demnächst gibts Lebenszeichen per Mail und ich freu mich wie Schnitzel, wenn mir mal wer was schreibt.

Adios
Dude

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Madrid 2007-2008
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