...gelebt...

Mittwoch, 26. August 2009

JU vs. Piratenpartei

KORREKTUR: Der Spot stammt nicht von der JU, sondern von einem Unabhängigen, die JU hat nur darauf hingewiesen, dass es ihn gibt. So schlampig sollte man natürlich nicht querlesen, wenn man über etwas redet, was auch mit Meinungsmache zutun hat. Mea Culpa.

Die JU nimmt sich die Piratenpartei mit einem Propagandafilmchen vor. Einige Stellen sind wider Erwarten ganz witzig ("...und in sogenannten Geburtsurkunden steht... WIE IHR HEISST!"), auch wenn ich natürlich der anderen Seite zuspreche. Nach 2, spätestens 3 Minuten ist dann aber der Bogen überspannt, dann will die Satire zu verbissen auch dem letzten Depp einprügeln, wie doof diese Piraten doch sind. Außerdem kommt zwischen den Zeilen dann gegen Ende doch die üblich eklige wertkonservative Brühe hoch ("...euer Staat stinkt nach Knoblauch aus dem Mund" --> erzählt mir, was ihr wollt, aber diese Terminologie ist entlarvend), und die JU'ler lassen mit der notwendigen Verachtung nebenbei auch noch durchblicken, für wie blöd sie ihr (letztlich angestrebtes) Wahlvieh offenbar halten ("...an all euch Nerds, an all euch BILD-Leser, an jede Minderheit, jeden Nachwuchs-Gangster, freilich auch jeden Terroristen und jeden geistlosen Protestwähler"). Trotzdem schön, dass anscheinend irgendwer überhaupt irgendeine Art Wahlkampf führt. Sämtliche großen Parteien haben sich ja bereits davon verabschiedet. Vielleicht wollen alle Beteiligten das Geld sparen. Und dann Partys für die Ackermanns der Republik schmeißen.



via Malte

87%

Ja, ich kann's! Also, mein Studium abschließen. Denn wenn ich Statistik schaffe, krieg ich auch jede andere kritische Psycho-Klausur hin. Wer Lust hat, mit mir Bier zu trinken: Heute ab 20 Uhr in meiner beschaulichen Bude. Ihr seid alle willkommen.

Samstag, 15. August 2009

Rocco Del Schlacko 2009 - Nachlese

In der Sonne sitzen und Bier trinken ist was für Leute, die schon Statistik bestanden haben - also musste ich meine 4-Tagesplanung kurzerhand in einen 1-Tagestrip umwandeln. Was relativ gut ging, denn alles, was ich sehen wollte spielte am Freitag des Rocco Del Schlacko.

Seit ich 2006 zum ersten Mal da war, wächst und gedeiht das saarländische Liebhaber-Festival trotz zwischenzeitlicher finanzieller Probleme sehr gut: Reichte damals noch ein gut gefüllter Campingplatz, füllt sich mittlerweile auch die ca. halb so große zweite Hälfte des Areals zügig. Ansonsten machen die Kleinen (wie so oft in verschiedenen Bereichen des Lebens) im Schnitt Weniges schlechter, aber Einiges besser als die Großen: Bezahlt wird in der eingetauschten Währung Roccocoins, was den Wechselwahnsinn an überfüllten Bierständen vermeidet (Marek Lieberberg schafft es bis heute nicht, so ein System anzubieten), die Preise sind moderat, Einlass in den vorderen Bühnenbereich funktioniert ohne Extraregeln, und wer gegen das Crowdsurfing-Verbot handelt, kriegt nicht gleich einen Gelände-Verweis. Auch Parken und Abfahren geht nachts trotz Hauptreisezeit sehr entspannt, beinhae staufrei konnte ich in 15 Minuten auschecken. Manches davon bringt die geringe Größe des Festivals (das trotzdem immer gute Namen auf dem Billing hat), insgesamt aber ist das Rocco aber recht gut organisiert.

Zur Stimmung: Ich werde alt. Nicht nur, weil ich langsam körperliche Wehwehchen bekomme - in meinem natürlichen Habitat, dem Musik-Festival, fühle ich mich als alter Sack. Mehrfach musste ich mich bremsen, um ein paar aufgeregte Teenies nicht mit Sprüchen a la "damals, als ich xy gesehen habe..." zu belegen. Denn auch das Rocco folgt dem Festivaltrend, der überall zu beobachten ist: Wachsende Publikumszahlen, sinkender Altersschnitt. So ist die Menge zwar nicht vollständig, aber doch mehrheitlich unterhalb der 20er Jahre, und ab und an kann man in das eine oder andere unpubertierte Gesicht blicken, das irgendwo in seinem Rucksack die Einverständniserklärung seiner Eltern haben muss.
Im Vergleich mit Southside oder gar Rock am Ring merkt man dem Rocco seinen Provinz-Status doch noch an: Viel lokales Volk, dass sich tough gibt, aber erstaunlich viele Camps sind ziemlich sauber, Flunkyball wird weit unterhalb der Leistungsgrenze gespielt, und auch gröhlende Zerstörung kam mir nur sehr wenig unter (seltsamerweise sind die Kids, deren Edding-bemalte, besonnenbrillte und antätowierte Körper sowie Mundwerke von Abriss-Party künden in meinen Augen verhältnismäßig lieb; ich sag ja, ich werde alt --> "Wir waren damals viel wilder").
Zwei Randnotizen noch: Saarländisch und Trierisch erscheinen mir ja so schon wie schlimmes Kauderwelsch - wenn dann aber untergebildete, besoffene Teenies damit anfangen, wird's einfach enorm unsexy (ich stell mir mit anhaltender kindlicher Freude Dialekte ja immernoch im Bett vor; "Ahjo, ahjooo, ahjooooo! - Isch han fertich"). Ich weiß auch nicht, ob es daran lag, dass mir fast keine Frau attraktiv erscheinen wollte, oder daran (--> Alter), dass Kids in der Geschmacksfindungsphase eben trotz dem ganzen H&M-Tand genau danach aussehen.

Nach kurzem Besuch bei Kollegen auf dem Zeltplatz für ein paar Fahrerbier geht's dann zu Muff Potter. Die haben vor Kurzem ihre Auflösung verkündet und spielen damit zu meiner Trauer eines ihrer letzten Konzerte. Das machen sie aber sehr gut, ich verpasse zwar die ersten beiden Stücke wegen den peniblen Einlasskontrollen, danach wird's aber fein: Hit an Hit, meist neueren Datums feuern die Potters ab, und nachdem ich im Wortsinne den Anstoß gebe, fängt auch schnell das Pogen an. Sogar ein wenig Crowdsurfing geht. (Dazu sei gesagt, dass das Verbot nach meinen Beobachtungen vor allem für zwei Dinge sorgt: Die, die crowdsurfen, können es nicht richtig, und die, die damit konfrontiert sind, können nicht damit umgehen. Aber das ist schwer subjektiv.) Am Ende "100 Kilo Herz" und ein zu kurzes, aber sehr entspanntes Konzert ist vorbei.

Danach Samy Deluxe. Das Rap-Urgestein (darf man das über zehn Jahre nach dem Boom langsam sagen?) fährt die beliebte "Rapper mit kompletter Band"-Schiene. Dann gibt es viel Neues, der Rap-Kahn hat Schlagseite Richtung Reggae, nur die Zugaben mit altem Material wie "Weck mich auf" knallen und rocken dann doch noch ganz gut. Irgendwie aber nicht mehr sehr zwingend, der gute Herr Deluxe.

Anti-Flag (die Unsitte, die Band "Anntih Fläg" auszusprechen - auch unter den Verlierern der Medienevolution, den Stage-Moderatoren, sehr beliebt - macht mich wahnsinnig) fahren ihr Standard-Programm: Das Herz schlägt links, es wird unglaublich viel in Richtung Publikum animiert und geschrien, und dazwischen tigern und springen die Beteiligten wie angestochen über die Bühne. Gefühlt ruft Justin Sane alle 30 Sekunden zum Circle-Pit auf. "Underground network" oder "Die for your government" kommen zwar knackig, aber irgendwie fühle ich mich für diese schlichte linke Musik-Agitation dann doch - zu alt. Wäre ich 12/14/16 und hätte noch nicht so viele Shows gesehen, wäre ich aber wohl schwer beeindruckt gewesen. Besser als bei der Rheinkultur waren sie aber.

An dieser Stelle noch das fällige Kompliment an das Schlacko-Publikum: ungeachtet des Alters (oder gerade deswegen?) ist die Menge bei jedem Künstler motiviert bis enthusiastisch, geht mit, oft können Leute mehr als den Refrain von dem einen großen Hit mitsingen. In so einer Menge macht es Spaß zu feiern (gerade im Vergleich zum verwöhnten und oft teilnahmslosen Großstadtpublikum anderswo). Nur rhythmisches Klatschen sollte auch hier - wie in jeder bundesdeutschen Grundschule - dringend mal als Pflichtfach eingeführt werden.

Rise Against schlagen mit ihrem politischen Punk natürlich in eine ähnliche Kerbe wie ihre Bühnen-Vorgänger. Allerdings fahren sie das Ganze etwas weniger penetrant, eine schlichte, motivierte Show, die von der Musik liebt. Glücklicherweise können Rise Against sich das leisten, die Hits von "The Suffer & The Witness" und "Siren Song Of The Counter Culture" stehen wie eine Eins. Nur der Spound hätte etwas druckvoller sein können.

Ein Problem, das Deichkind nicht haben. Hier wummert und brummt es defitg aus den Boxen. Auf ein vor die Bühne gehängtes Banner projezieren die Nordlichter einen ewig langen Einmarschfilm - Tension and Suspense, wie mein Englischlehrer wissend erwähnt hätte. Dann folgt der Traum eines jeden kleinen Jungen (oder kleinen Jungen im großen Jungen): Trampoline und eine Schnaps-Bong mit diveren Schläuchen, mit dem Schlauchboot über die Menge fahren, trashige Müllsack-Neonkleidung und -farbe, Konfetti-Kanonen, Kissenschlachten, blinkende Pyramid-Hüte, Menschen mit Tiermasken, und am Ende zwei riesige Hüpfburgen. Dazu gibt es die Knaller von zwei gefeierten Alben. Bei "Luftbahn" erweisen ein an einem Stock aus alter Deichkind-Bühnenkleidung hergestellter Fetisch und ein im Totenkostüm steckender Helfer (neben den verbliebenen drei Stammmitgliedern sind vier kostümierte Mittänzer und -helfer im Dauereinsatz) dem kürzlich an einem Schlaganfall verstorbenen Deichkind-Mitglied und -produzent Sebastian Hackert die Ehre. "Das schlimmste ist jetzt hinter dir" heißt es an einer Stelle im Song. Nicht nur wegen diesem Song und der Songauswahl insgesamt (Deichkind spielen auch weniger krachige und bekannte Songs wie "Urlaub vom Urlaub" oder "Papillon") habe ich den EIndruck, dass die ganz große Abfahrt mit dem Tod des Freundes zu Ende sein könnte; möglich, das Deichkind nach ihren letzten geplanten Auftritten das Handtuch werfen oder in anderer Form als jetzt weiterexistieren. Trotzdem brennt am Ende bei "Hört ihr die Signale", dem unvermeidlichen "Yippie Yippie Yeah" und dem Schlussakt "Limit" das Haus, wer jetzt nicht tanzt, ist doof (wie der Typ vor mir, der von einigen ausufernden Tänzern neben mir ständig angerempelt wird und sichtlich aggressiv ist - kann ja keiner ahnen, dass nicht alle auf diese Musik ganz vorne stillstehen wollen), und ich möchte mir nichts nachsagen lassen.

So kann ich sagen: Ein feines festival, nur etwas kurz. Aber The Kilians, M.I.A. oder Farin Urlaub am Samstag sind nun wirklich kein guter Grund, durch Statistik zu fallen. Und für durchfallen bin ich auch schon - zu alt.

Montag, 10. August 2009

Ziehen und zerren

Da ist eine Menge, was hätte angefangen werden müssen, längst schon. Und innen, da ruft es nur: weg, raus.

Freitag, 24. Juli 2009

Scheiß Rücken

Scheiß Rücken, scheiß Rücken, scheiß Rücken... ehm... joa... scheiß Rücken.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Kilians?

Ich habe es lange versucht, seit der Erstbegegnung 2006, immer wieder. Ich habe den Kopf geschüttelt, einfach nur da gestanden, geschlafen, mich angeregt unterhalten - nur niemals habe ich die Kozerte abgefeiert. Was habe ich seit Mando Diao und The Strokes verpasst, dass ich den wachsenden Hype um die Kilians nicht verstehen kann? Was soll denn so beeindruckend sein an dieser Band???

Dienstag, 14. Juli 2009

Christopher Street Day (Cologne Pride) - Nachlese

Ich wollte wenigstens noch kurz vom CSD aus Köln berichten, der bunt und schrill, und voll mit hübschen Transen in noch hübscheren Outfits war. Wie Karneval, nur ohne den piefigen Traditionskitsch. Dafür mit postmodernem Superkitsch. Klasse!

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Mehr Bilder lade ich die Tage mal bei Flickr hoch.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Life

"Ich wusste gar nicht, was ich mit der vielen Freiheit machen sollte. Ich hab' dann erstmal Staub gesaugt."

Freitag, 26. Juni 2009

Michael Jackson ist tot

Fünf verschiedene Anfänge habe ich verworfen, bevor ich jetzt einfach nur schreibe: Michael Jackson ist tot und ich werde ihn vermissen. Eine große und tragische Geschichte ist zuende. Danke für die Musik. You won't be forgotten.

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Dienstag, 23. Juni 2009

Southside 2009 - So war's

Der übliche Abriss vom Festival-Spaß:

DONNERSTAG: Nach erfolgreichem morgendlichen Uni-Referat schaffen wir eine beinahe völlig staufreie und daher sehr angenehme Anreise, ergattern einen Top-Parkplatz, während die Mittwoch-Fahrer via Handy wissen lassen, dass sie bereits einen Top-Zeltplatz (Orientierungspunkt: der legendäre Piss-Würfel). Das Anstehen zum Einlass entpuppt sich als harmloser, als gedacht - eine Stunde in der prallen Sonne bei vollem Gepäck lässt sich dennoch nicht vermeiden (wir wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es der letzte ernsthafte Sonnenkontakt für die nächsten Tage sein wird). Irgendwann sind wir aber da, das Zelt steht, die Pavillons auch, das Bier folgt dem von der Peristaltik vorgezeichneten Weg und langsam trudeln die restlichen Camp-Bewohner ein. Der Grundstein liegt.

FREITAG: Musik von der dunklen Seite, Teil 1: Das Erwachen ist nur leicht verkatert, dafür haben unsere Schweizer Nachbarn morgens um 8 Uhr bereits große Lust auf Volksmusik von der Alm... die Duschen erweisen sich (wie überhaupt die sanitäre Situation) als wirklich annehmbar, so dass das Anstehen für Klo und Dusche zu einer echten Alternative zu Dixi und Feldwäsche wird. Dann das übliche Gedöns, Frühstück bis zwölf, Gequatsche, Bier... gegen 15 Uhr nutze ich eine Regenpause (um es kurz zu machen: das Festival bestand nur aus Regen und Regenpausen, Sonne kam nie ernsthaft durch. Oh, und hatte ich den Hagelschauer erwähnt?) und gerate mit einer hochmotivierten, zehnköpfigen Mannschaft aus Fans und Spielern in eine Reihe von Flunkyball-Matches. Leider können wir nicht alle für uns entscheiden, aber ich besinne mich zumindest auf alte Trinkstärken.

Deshalb bin ich auch rappelvoll angenehm bedüselt, als ich gegen 17.30 Uhr zum ersten Mal auf dem Festivalgelände die Silversun Pickups sehe. Solider, irgendwie stimmlich an Placebo gemahnender Indierock, den ich mir auf Platte nochmal in Ruhe anhören muss. Eigentlich wollte ich ja nun den Fleet Foxes eine Chance geben, mir diese ganze Welle von Neo-Summer-Of-Love-Bands begreiflich zu machen. Wegen akuter Ernüchterung und Desinteresse wird es dann aber doch der Zeltplatz und eine Reihe weiteren Bieres. Clueso, Fettes Brot, Ben Harper - "nur ein paar Hits", "schon zigmal gesehen", "nicht so mein Ding", wieder bleibt es beim Zeltplatz und der guten Gesellschaft, die spektakuläre Trunkenheits-Erfindungen wie den bald schon legendären "Mannfang" (gemeint: Windfang, bzw. eigentlich nur gespannte Zeltschnüre) macht.

Immerhin, die letzten Songs der Ärzte schaffe ich gerade eben so noch. Für mich hat sich das mit dieser Band wohl langsam erledigt, zum ersten Mal hatte ich außerdem den Eindruck, dass sogar Berufsjugendliche alt werden können, so langsam und drucklos hauen sie ihre Hits gegen Ende raus.

Dann doch lieber Nick Cave & The Bad Seeds, eine von zwei Pflichtveranstaltungen, die ich um alles in der Welt sehen muss. Zurecht: Meister Cave gönnt sich außer ein paar "Thank You"s wenig Publikumskommunikation, geschweige denn -animation - weil er es schlicht nicht nötig hat. Seine tiefdunkle Crooner-Stimme, die großartigen Songs, und im Rücken mit den Bad Seeds eine der besten Bands, die ich je gesehen habe... ein Auftritt, wie man ihn sich besser kaum wünschen kann. Lärmorgien wie "Tupelo", kruder Rock mit "Dig, Lazarus, Dig!", Balladeskes wie "The Ship Song", Mörderblues bei "Stagger Lee", niemand kann das alles stimmlich so überlegen und so sexy wie Cave (die Ausnahme? Am Sonntag...). Als die Front-PA ausfällt, kommentiert Cave das Ganze grinsend mit "German Engineering sucks". Dabei ist die PA fast egal, den Rest des Songs über lauschte das Publikum muckmäuschenstill dem Bühnensound. Ein grandioser Auftritt, kein Fehler, das Zuschauen pure Freude. Euphorisiert trinke ich noch ein paar Bier und falle dann in einen gnädigen Schlaf.

SAMSTAG: Mittlerweile wird das Aufstehen anstrengender, Lebensstil und Rhythmus hinterlassen erste Spuren. Und das, obwohl ich mit Rührei zum Frühstück, genug Obst und Gemüse, Müsliriegeln und Vitaminpillen mittlerweile von der Fleisch-und-Bier-Diät ab bin. Am frühen Nachmittag entdecke ich beim umherstromern auf dem Campingplatz neue Kurzzeit-Freunde sowie Trierer Bekannte. Insgesamt kommt dieser liebenswerte Teil eines Festivals wegen des Wetters aber leider zu kurz. Im Camp lerne ich das Trinkspiel "Frau Horst", das u. A. dazu führt, dass beinahe ununterbrochen Leute aus dem Camp ein Mädchen im Nachbarlager auf die Wange küssen müssen, was für einige Erheiterung und Irritation sorgt. Gleichzeitig beginnt ein unheilvolles Ritual: Der Schlauch wird ausgepackt, 0,5er Bierdosen stehen bereit... Promille garantiert.

Dennoch komme ich recht gut vom Platz und nehme gegen 14.30 Uhr noch ein wenig von Johnossi mit, die mir auf den ersten Eindruck eher farblos erscheinen. Danach kommen die von mir heiß ersehnten Gaslight Anthem, zu denen ich Teile der Gruppe ob ihrer Unkenntnis nötigen musste. Was sich lohnt, die Band spielt ernergetisch, den Sänger hatte ich mir gar nicht so spitzbübisch-punkig vorgestellt. Ein toller Auftritt, maßgeblich getragen vom Knaller-Album "The '59 Sounds".

Wegen des kurzen Weges erlaube ich mir - nach einem kurzen Abstecher zu den Rockabilly-Punkern von The Living End - die Pendellei zum Zeltplatz, ein für mich neuer Luxus. Nachdem ich mich dort ein wenig beschnapst habe, tanze ich bester Stimmung in Richtung Gogol Bordello, die ich zum vierten Mal erleben darf. Endlich die richtige Musik, um sich selbst höllisch zu feiern. Zumidnest die Umstehenden sind scheinbar beeidnruckt von unserer Tanzwut. Ein solider Auftritt, an dem mir aber nun auch nichts neu erschien, vom Makeup der Asia-Zwillinge mal abgesehen.

Den ganzen Mega-Indie-Schmarrn von den Editors, über Franz Ferdinand bis zu den mittlerweile ärgerlich omnipräsenten Kings Of Leon schenke ich mir (letztere werden in Dauerrotation mindestens fünf mal am Tag im in Hörweite gelegenen Partyzelt verheizt), stattdesse ab ins Zelt zu Dendemann. Der letzte und cleverste Überlebende des Deutschrap-Urknalls der Jahrtausendwende hat dann auch eine gute Show im Gepäck, statt purem Set mit DJ und MC hat er eine komplette Band dabei und spielt seine Stücke in neuen Arrangements. Ein sehr schöner Auftritt mit viel Druck, den ich wegen dem unheimlich vollen Zelt nicht vollends genießen konnte.

Eigentlich gab es den Plan, später nur aus Jux die Proll-Metaller von Disturbed zu sehen, leider scheitert die Idee an einem der alkoholischer Dehydrierung geschuldeten Nickerchen. Dann die schwerste Entscheidung: Eigentlich sind die Nine Inch Nails auch Pflicht, aber weil ich sie schon gesehen habe und höllisch friere, bleibe ich nach langem Hadern im Zelt. Das gab's bei mir bisher auch noch nicht. Ich werde alt.

SONNTAG: Dieses Mal fällt duschen aus, die Schlange ist zu lang, der Drang nicht groß genug. Außerdem hat es ja auch aufrüttelnde Wirkung, wenn die Freundin die Nachbarn wegen ihrer Volksmukke zusammenstaucht. Beim Essen erzählen sich alle Erlebnisse des letzten Abends: Während die einen saftige Frauengeschichten aus dem Partyzelt berichten, haben die anderen eine dieser Geschichten erlebt, die man eigentlich immer nur über drei Ecken hört: Securitys befreiten vor ihremn Augen einen um Hilfe klopfenden völlig Betrunkenen aus einem Dixie. Wie er es geschafft hatte, sich von oben bis unten komplett mit Scheiße zu beschmieren, ließ sich jedoch nicht klären. Tauchen läge nahe.

Mit Notfallschnaps bewaffnet mache ich mich spät auf den Weg zu Ska-P. Die machen angenehm rückwärts gewandten Punk. Ob sie aber wirklichen glauben, dass alle ihre linken Messages mitbekommen, wenn sie nur spanisch reden? Zum Ska-Punk gibt es klassische Anti-Bush-Holzhammersymbolik (Guantanamo-Suits, Gefangenen-Exekution auf einem elektrischen Stuhl, Domina-Kardinals-Outfit), die im Jahr 1 nach Bush Jr. irgendwie gestrig rüberkommt. Ohnehin haben Auftreten und Musik wenig mit Tiefgang zutun. Wer aber tanzen und auf der richtigen Seite stehen will, war dort richtig.

Während andere wegen dieser strunzdummen "I kissed a girl"-Nummer bei Katy Perry auf Lesben-Szenen hoffen, höre ich mir The Mars Volta an. Nach dem ersten Album wurde mir die Band eigentlich zu spleenig, und zum nebenbei anhören ist das ja eh nix. Dennoch ein technisch beeindruckender Auftritt, den die beiden Afros mit ihrer Band leisten, und einen Song habe ich entgegen der Erwartung auch wiedererkannt. Mit dem letzten Ton gehen die ohnehin unkommunikativen Typen wortlos von der Bühne, was ich dann schon wieder cool finde. Ohnehin habe ich dieses Jahr fast nur Bands gesehen, die sich öde "Zugaben"- und Animations-Spielchen geschenkt haben, und stattdessen durch Musik zu überzeugen wussten.

Weiter geht es auf der "Alte Helden"-Bühne: Frank Black und seine Pixies geben sich die Ehre. Black (nach eigenen Angaben in Sachen Reunion "In it for the money") gibt den Kauz, Bassisten Kim Deal steuert das menschliche und sympathische bei, was in der Summe einen ganz unaufgeregten Routine-Gig abgibt, den man gern sieht, der einen aber auch nicht weiter beeindruckt.

Dann Social Distortion, von denen ich einiges erwarte, weil ich zumindest zwei ihrer Alben doch sehr schätze. Leider erlebe ich eine Neuauflage der schwachen Auftritte von Mitte der Neunziger, von denen die Musikredaktuere jener Zeit immer noch erschüttert berichten: Selbst wenn man die hingenuschelten Ansagen des Ex-Drogis Mike Ness ausklammert, und jener selbstverständlich trotzdem saucool bleibt, wenn er dem Publikum erzählt, es solle sich nicht seine Träume nehmen lassen - Druck und Power gehen ganz anders, selbst Hits wie "Don't drag me down" verpuffen ohne nachhaltige Wirkung. Social Distortion waren zwar immer die Countryband unter den Punkbands, aber das hier war ein Trauerspiel.

Und dann Faith No More. Die Band, die mit Mike Patton einen der besten Sänger und kreativsten Künstler in der gegenwärtigen Rockmusik hatten. Die an ihren Egos zerbrach. Die mal eben den Teppich für Crossover und seine Nachwirkungen ausgerollt hat. Zerstört hier eine weitere große band ihren Mythos für ein bisschen Reunion-Kohle? Vorerst nicht: "Reunited", ein souliges Cover ist der Einstand, dan bricht ein Gewitter los: Mike Patton schreit und windet sich, Bass und Schlagzeug bollern, ein irrer Sound fegt über die Reihen. Keine Spur von alterserscheinungen der bald 50-jährigen Herren. Dazu ein Set mit allem Ornat: "Epic", "Caffeine", "Be aggressive", "Ashes To Ashes", "The gentle art of making enemies" lassen Erinnerungen an eine zeit wachwerden, als Crossover nicht nur eine Erinnerung war. Und: Mike Patton ist ein Ausnahmesänger, der zwischen Schreiattacke und souligem Gesang nichtmal richtig Luft holen muss, kein Ton geht daneben, manisch rennt der Sänger vor dem Schlagzeug im Kreis, wenn er nicht gerade springt oder dem Publikum nahe legt, gegen die Kälte am Abend im Zelt zu vögeln. Wieder stimmt alles, wieder herrschen reine Glücksgefühle, die nur davon ein wenig getrübt werden, dass Kraftwerk parallel ebenfalls eine sehr gute Show geliefert ahebn sollen, wie ich später erfahre.

Alles in allem ein gutes Festival, dem ein bisschen besseres Wetter gefehlt hat. Ansonsten sind die Organisatoren zu loben, jedes Jahr versuchen sie erfolgreich, das Festival zu verbessern, dieses Jahr sind mir die sanitäre Situation oder das Getränkeangebot (0,5l kühles Becks auf dem Zeltplatz 1 Euro!) positiv aufgefallen, ebenso der Einlass in den vorderen Bühnenbereich (das ist bei RaR seit Jahrem die reine Katastrophe). Auch die Spielpläne weisen immer weniger ärgerliche Überschneidungen auf. Nur das Publikum erscheint mir mit wachsender Festivalgröße und fortschreitendem Alter immer derber. Was wiederum kein Problem ist, wenn man bei Nick Cave oder der Pixies steht, da ist wenig junges Gemüse.

Konzertwertung:

1. Faith No More & Nick Cave (beide auf individuelle Art großartig)
3. The Gaslight Anthem (schön, wenn einen eine "neue" Band so mitreißen kann)

In diesem Sinne: War schön gewesen! Nächstes Jahr dann bitte mehr Sonne.

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