Sonntag, 5. April 2009

Digital egal

Ich blogge seit 2005, womit ich vermutlich schon kein Early Adopter mehr gewesen bin. Nach kurzer Skepsis war ich dann auch tatsächlich überwältigt vom Web 2.0, den unbegrenzten Möglichkeiten der Interaktion, die ja gerade den männlichen Spieltrieb zeitweise gut bedienen. Ich habe mich umgesehen, viele gute Schreiber entdeckt, Blogs als Teil des Medienbetriebs in meine eigene Rezeption integriert.

Und jetzt, dreineinhalb Jahre nach dem Erstkontakt, bin ich manchmal einfach nur müde. Weil nichts passiert, was Euphorie rechtfertigen würde, weil die letzte massentaugliche Innovation das sinnentleerte Twitter gewesen sein soll, weil die Form den Inhalt mittlerweile komplett besiegt zu haben scheint. Was, wohlgemerkt, nicht auf die vielen cleveren Schreiber im Untergrund gemünzt ist, sondern die Alpha-Generation von Bloggern, die digitale Bohème, die Aushängeschilder der Veränderung, die die Brücke über den Digital Divide sein wollte. Die sich im stetigen Fluss von eigentlich digitalem Nichts eingerichtet hat, und ohne jeden Drive in die digitale Konterrevolution treibt. Digital egal.

Weshalb ich dann auch den folgenden Beitrag von Don Alphonso sowas von unterschreiben kann (und ich gehöre wahrlich nicht zu den Freunden des "Edel-Trolls der Blogossphäre"). Hier hat er aber zurecht im richtigen Ton auf die richtige Sache geschossen. Auch Malte Welding spottet zurecht.

Ich jedenfalls fühle mich zu alt, um ohne Anlass über die technischen Möglichkeiten, die Webciete, oder das drölfzigste Zusammenwachsen von irgendwas mit irgendwas begeistert sein zu können. Am Ende alles Kunstwörter, hippe Leere, ein unaufhörlicher Strom von Geplapper ohne Grund - die Blogosphäre lebt. Nur weiß keiner, warum und wofür.

Trackback URL:
https://diegestundetezeit.twoday.net/stories/5627616/modTrackback

Der Anti-Blog-Blog - 16. Apr, 04:34

das trifft ziemlich genau, was ich denke, seit ich mein studium begonnen hab und mit dem ganzen web 2.0 hype zugetextet wurde.
twitter ist so ziemlich das marginalste was jemals "erfunden" wurde, das einzige was die "erfinder" eigentlich getan haben ist einer schon vorher bestehenden idee einen hippen namen zu geben und schwupps waren sie die väter des microbloggings. das der dienst twitter eigentlich in jeder social network plattform enthalten ist scheint keinen davon abzuhalten den ganzen mist an den höchsten ast zu hängen. ich hab absolut nich den blassesten schimmer warum jeder so begeistert davon ist. "Kurt ist gerade auf der Toilette. 27 minutes ago." will ich das wissen? scheisse, nein.
und dass der hippe name konnotationen erweckt die in der grundschule zu schallendem gelächter geführt hätten, macht die sache auch nicht besser. alles spielereien, nach und nach werden die 2.0 - süchtigen mit kleinen schmankerln bei laune gehalten um die "netzgemeinde" ja nicht aussterben zu lassen. und das alles wird von den nach innovationen hechelnden nutzern wie von junkies auf cold turkey aufgesogen. weil man eben auch nicht den anschluss verlieren will, man könnte ja unhip sein, ganz plötzlich.
teil von etwas grossem möchte man bleiben, denn web 2.0 hält doch so viele möglichkeiten bereit sich selbst zu verwirklich und sich andern mitzuteilen. und genau da stelle ich die gleichen fragen wie du am ende deines beitrags: warum? wofür?
sicher nicht weil der mensch plötzlich mehr interesse an seinen mitmenschen entwickelt hat. ich sehe das ganze eher als eine "kratzt du mir den rücken, kratz ich dir deinen" - philosophie. wenn ich interesse an anderen inhalten zeige, dann kommt auch bestimmt was zurück und meinen ergüssen wird aufmerksamkeit geschenkt.
doch das schlimmste, das allerschlimmste ist die tatsache, dass jegliche kritik die wir an dieser stelle anbringen ironischer nicht sein könnte. zwangsläufig. jedes wort das wir in der blogosphäre, was für mich immer noch das unwort der menschheitsgeschichte ist, verbreiten, reisst der aussage die wir damit machen möchten den boden unter den füßen weg. wir sägen gerade am ast auf dem wir sitzen.


...gedacht...
...gefunden...
...gehört...
...gelebt...
...gelesen...
...gesehen...
1000 Songs
Madrid 2007-2008
Netzwerkseminar (closed)
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren