Wenn mich die Persönlichkeitspsychologie gerade Eines lehrt, dann: (Persönlichkeits-)Psychologen versuchen immer all das mit abstrakten Konstrukten einzukreisen und empirisch zu belegen, was in der Realität unendlich viel komplexer und gleichzeitig einem Großteil der Menschheit intuitiv bekannt ist. Was dann meist noch nicht einmal mit einem tolerierbaren Maß an widersprüchlichen Ergebnissen gelingt.
Ich bin nach meinem Dafürhalten ja nun kein anstrengender Dauer-Lokalpatriot, aber soviel ist sicher: Ich mag Tomte, ich mag den FC St. Pauli, und ich liebe das Hamburg(gefühl), für das beide stehen.
Der Gewinner-Wähler Profil: Überwiegend männlich, ist durch sein Konsumverhalten für 3/4 aller (Mode-)Trends verantwortlich, mag Monopoly und MenschÄrgerDichNicht, sagt und denkt Konformistisches wie "So isses halt!" oder "Man muss sehen, wo man bleibt!", FC-Bayern-Fan, hat nicht selten BWL abgebrochen oder eine Banklehre gemacht.
Die Wut: Eigentlich wäre der Gewinner-Wähler ein guter FDP-Wähler. Leider fehlt es ihm dafür an politischem Bewusstsein und an Rückrat, weswegen er verhältnismäßig desinteressiert am Ende sein Kreuz da macht, wo er nach Presseberichten und Umfragen die stärkste Partei oder Fraktion vermutet; da seine Mutlosigkeit tendenziell gut mit den Konservativen harmoniert, fällt er momentan im Wahlvolk wenig auf. Der Gewinner-Wähler denkt in Mehrheiten: "Wer die meisten Fürsprecher hat, muss richtig liegen" lautet seine einfache Weltsicht, die er gern mit der Evolutionstheorie mehr schlecht als recht begründet, falls ihm eine Begründung denn nötig erscheint. Denn wenn er trotz seiner 4- in Geschichte eines gelernt hat, dann, dass die Sieger nicht nur die Geschichte schreiben, sondern überhaupt die Ansagen machen. Der Gewinner-Wähler lebt völlig und ausschließlich im Jetzt. Er ist bereit, Argumente zu vergleichen, solange sie am selben Tag in der selben Zeitung stehen (die BILD druckt allerdings selten ausgewogene Berichterstattung); was Politiker über längere Zeiträume sagen, wo Widersprüche und 180°-Kehren stattfinden - das ist kein Thema für den Gewinnerwähler. Er will richtig stehen, und wo jetzt gerade alle stehen, kann es so falsch nicht sein. Dass die SPD abgebaut hat kommt ihm entgegen, nimmt es ihm doch die komplexen Spekulationen über den Wahlausgang ab. Am Wahlabend lehnt sich der Gewinner-Wähler entspannt zurück und badet in dem wohligen Gefühl, die Mehrheit einmal mehr auf seiner Seite zu haben.
Ich dachte mir, es würde schlimm werden. Langweilig. Zahm. Inhaltsleer. Ich wurde über weite Strecken nicht enttäuscht.
Da ist ein Frank-Walter Steinmeier, der einfach keinen Mut zur Zuspitzung und Verknappung besitzt, in 90 Minuten von sich aus das Wort SPD nicht in den Mund nimmt und mir einfach nicht erklären kann, wofür er eigentlich (im Vergleich zur Kanzlerin) steht. Der aber vor allem nicht mitreißt, mobilisiert, genauso den Stillstand und Status Quo verkörpert wie Angela Merkel.
Da ist eine Angela Merkel, die maximal zweimal eine Antwort gegeben hat, die inhaltlich greifbar war oder mit der Frage zutun hatte; die wirres Zeug erzählt, dass man Managergehälter auf freiwilliger Basis begrenzen und Atomkraft als Übergangsenergie bis ins nächste Jahrtausend nutzen sollte. Die Frau sagt nichts, steht für nichts, nur für "Kanzlerin sein". Klar, dass das wie Kompetenz aussehen muss.
Da sind zwei Kandidaten, die wie leblose Marionetten auswendig Gelerntes herunterleiern, zum Teil miteinander gegen die Moderatoren paktieren, aber keine der 90 ellenlangen Minuten ein Duell führen. Keine Konfrontation, keine Agitation, nichtmal eine Diskussion. Einigkeit. Recht und Freiheit übernimmt dann der Schäuble.
Da sind vier Moderatoren, also schon von Beginn an zwei zuviel, die ihre Zähne zuhause gelassen haben, sich wahlweise in ödestem Salontalk der Marke Illner/Kloeppel verlieren, mit ihrer Selbstdarstellung befasst sind wie Plasberg, oder blass herumstehen, wie Limourg; die abstrakte, ewig durchgekaute Allgemeinplätze abfragen, anstatt gezielt die Unterschiede der Kandidaten herauszuarbeiten, die die beiden von sich aus kaum zu markieren in der Lage sind. Wenn das unsere Top-Journaille sein soll...
Auch, wenn Steinmeier am Ende etwas besser abgeschnitten hat, etwas sauberer und sinniger argumentiert hat: Nie war das TV-Duell ein Kanzler-Duell. Weil Steinmeier längst kein Kanzlerkandidat, sondern nurmehr ein Spitzenkandidat ist.
Ich bin wütend: Weil ich SPD, aber nicht Große Koalition wählen möchte. Die ich aber kriege, wenn ich SPD wähle (falls es nicht für schwarz-gelb reicht, was gleichermaßen besser und doch unendlich furchtbar wäre; zumindest für die subversive bzw. Protestkultur wäre es aber wohl ein Jungbrunnen).
Ich habe Wahlwerbung für Politikverdrossene gesehen, einen Tiefpunkt der politischen Diskussionskultur, weil verkauft, aber nicht begeistert, inhaltlich geredet, aber nicht klar positioniert wurde. Ich lese jetzt nochmal das Wahlprogramm von Linken und Piraten, und schaue, ob jemandem von denen zu trauen ist, oder ich einfach die Grünen wähle, nach dem Motto "macht man ncihts kaputt". Natürlich ist die SPD mehr als FWS, der ja auch gute Ideen hat, die er nur nicht so gut vermittelt bekommt. Aber noch vier Jahre große Koalition boxen die SPD unter die 20%. Und das kann ich nicht gut finden. "Deutschland braucht eine starke Sozialdemokratie." Recht so, Frank-Walter. Wäre das dann nicht mal was für die SPD?
Ich beginne heute mal, ungeordnet gegen Wahlvölker zu pöbeln, die in unserer Republik vertreten sind; je nachdem, wie viele mir einfallen, wird's ne Serie.
Die Öko-Konservativen Profil: Im Schnitt Mitte 20 bis Anfang 40; im weiteren Sinne wohlhabender/bildungsbürgerlicher Herkunft; je nach Lage knapp noch keine oder bereits Kinder im einstelligen Alter; ihr Tempel ist der Bio-Laden um die Ecke; wählen schon immer "aus Überzeugung" die Grünen; tendenziell liebevoll und einfühlsam, dafür oft recht humorlos, erstrecht beim Thema "Mutter Erde"; machen im Prenzlberg, im Schanzenviertel oder in Sülz die Mieten kaputt.
Die Wut: Kaum eine Gruppierung regt mich so auf, wie diese. Zum Beispiel, weil sich diese Leute immer noch als politisch links einstufen würden, obwohl ihre letzte linke Aktion war, die Mutter von Mustafa beim Jugendamt anzuschwärzen, weil es dort vier mal die Woche Fischstäbchen gibt. Dabei haben die Öko-Kons die Leistungsideale, die aus der Verkehrung der 68er entstanden sind, selbst bestens verinnerlicht (was sie nicht daran hindert, sich als Fortsetzung von '68 zu begreifen): Ideologisch regiert bei ihnen ein neues Spießbürgertum, dessen Religion das gute Essen ist (der wohl unpolitischste Lebensbereich, klammerte man den Hungerstreik aus). Politik und Kultur nimmt man aufmerksam zur Kenntnis (Lesen ist den Öko-Kons heilig; Kochbücher sind die Bibel), das Engagement endet jedoch mit der Quartalsspende an Amnesty. Stattdessen kümmert man sich aufopferungsvoll um die Familie (die Familie steht bei den Öko-Kons vor allem, sobald Kinder da sind, sogar vor gutem Essen), und verachtet ein bisschen alle, die das nicht genauso machen; denn ihre Kinder sind den Öko-Kons Könige und Heilige (sie sind gewissermaßen die Wachablösung der Kochbücher). So lebt man in seinem modernen Biedermeiertum vor sich hin, ohne sich besonders intensiv am Leben außerhalb der eigenen Blase zu beteiligen. Finanziell ist man längst in der Unabhängigkeit angelangt, BAFöG ist zurückgezahlt (falls die Mutter der Familie nicht nebenbei wieder oder erstmals studiert), man hat geerbt oder das Erbe ein stückweit vorgezogen bekommen; jedenfalls ist Geld kein drängendes Thema. "Krise" bedeutet in dieser Welt, die absurd überteuerten Babyprodukte mal gegen die zweitbesten austauschen zu müssen, wenn der Mann 3-6 Monate Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit zu überbrücken hat (wobei beides unwahrscheinlich ist, da er als Ingenieur für regenerative Energien/Umweltanwalt in einer mittelgroßen Kanzlei/Öko-Spielzeug-Designer davon kaum betroffen sein wird). Trotzdem sagen sie mit dem Masochismus des aufgeklärten politischen Individuums eklig Selbstbeweihräucherndes wie "Wenn man soviel Glück gehabt hat wie wir, muss man auch an andere Menschen denken"; die "anderen Menschen" sitzen aber grundsätzlich weit weg in Afrika oder Vorderasien, wo man keine Angst haben muss, dass ihr Anblick einem den schönen italienischen Abend mit Malfatti und Tiramisu ruiniert, weil man sich selbst in seinem politischen Bewusstsein suhlen muss. Passiert ein Öko-Kon in der Fußgängerzone die Bettelmafia, presst er die Einkaufstüte/Handtasche eng an die Kunstlederjacke und geht mit diszipliniert geradeaus gerichteten Augen vorbei, um einige Meter entfernt erleichtert aufzuseufzen.
All das wäre irgendwie zu verkraften (und die Schnittmenge mit "guten" Leuten ist unübersehbar), wenn die Öko-Kons nicht ein erstaunliches Sendungsbewusstsein mitbringen würden: Man kann nur in ihrem Referenzrahmen mit ihnen kommunizieren, alles außerhalb interessiert sie nicht oder wird misstrauisch beäugt, wenn nicht gleich als Unsinn abgetan. Sie leben nach innen, nicht nach außen, als Traditionalisten bewahren sie, anstatt zu schaffen.
Sie werden auch Ende September wieder Grün wählen. "Aus Überzeugung". Wie verstockt, verkrustet, weltfremd sie bereits sind, dass sie die modernen Biedermeier darstellen und längst viel konservativer als ihre eigenen Eltern gworden sind, obwohl sie schonmal im Berghain bis 16 Uhr getanzt haben und ihren Zöglingen sogar ab und an McDonalds erlauben - das kriegen sie nicht mehr mit. Weil sie es nicht müssen: Es gibt ja genug wie sie. Uff.
Für Anfänger: Die Voraussetzungen zu einer Prüfung erfüllen
Für Fortgeschrittene: Für die Prüfung lernen und sie bestehen.
Für Profis: Zu einer Prüfung zugelassen zu werden, für die man die Voraussetzungen erfüllt, bei denen einem aber eine Unterschrift von vor drei Jahren fehlt, für die niemand zuständig ist.
Ich hab eigentlich gar keine Lust, ständig auf den Christdemokraten und ihrem Rattenschwanz herumzuhacken; ist ja irgendwie auch unverhältnismäßige Öffentlichkeit. Wer aber etwas Bizarres wie das folgende Video produziert, muss damit rechnen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit mal ganz amtlich ausgelacht und nur ganz vielleicht auch ein wenig angespuckt zu werden. Da fehlen mir dann auch die erläuternden Worte. Wer Nerven hat, der klicke.
Im folgenden Video lernt ein kleiner Interviewer einige wertvolle Lektionen, wie man Henry Rollins gegenübertreten sollte, und wie nicht. Sachkenntnis, Selbstrespekt und allgemein Klasse hätten ihm geholfen.
KORREKTUR: Der Spot stammt nicht von der JU, sondern von einem Unabhängigen, die JU hat nur darauf hingewiesen, dass es ihn gibt. So schlampig sollte man natürlich nicht querlesen, wenn man über etwas redet, was auch mit Meinungsmache zutun hat. Mea Culpa.
Die JU nimmt sich die Piratenpartei mit einem Propagandafilmchen vor. Einige Stellen sind wider Erwarten ganz witzig ("...und in sogenannten Geburtsurkunden steht... WIE IHR HEISST!"), auch wenn ich natürlich der anderen Seite zuspreche. Nach 2, spätestens 3 Minuten ist dann aber der Bogen überspannt, dann will die Satire zu verbissen auch dem letzten Depp einprügeln, wie doof diese Piraten doch sind. Außerdem kommt zwischen den Zeilen dann gegen Ende doch die üblich eklige wertkonservative Brühe hoch ("...euer Staat stinkt nach Knoblauch aus dem Mund" --> erzählt mir, was ihr wollt, aber diese Terminologie ist entlarvend), und die JU'ler lassen mit der notwendigen Verachtung nebenbei auch noch durchblicken, für wie blöd sie ihr (letztlich angestrebtes) Wahlvieh offenbar halten ("...an all euch Nerds, an all euch BILD-Leser, an jede Minderheit, jeden Nachwuchs-Gangster, freilich auch jeden Terroristen und jeden geistlosen Protestwähler"). Trotzdem schön, dass anscheinend irgendwer überhaupt irgendeine Art Wahlkampf führt. Sämtliche großen Parteien haben sich ja bereits davon verabschiedet. Vielleicht wollen alle Beteiligten das Geld sparen. Und dann Partys für die Ackermanns der Republik schmeißen.
Ja, ich kann's! Also, mein Studium abschließen. Denn wenn ich Statistik schaffe, krieg ich auch jede andere kritische Psycho-Klausur hin. Wer Lust hat, mit mir Bier zu trinken: Heute ab 20 Uhr in meiner beschaulichen Bude. Ihr seid alle willkommen.
Ich hab ja gehört, im Moment wäre viel so mit Politik und so... und da will ich natürlich nicht hintenanstehen. Hier mal ein schon älteres Beispiel, wie sich der in landschaftlicher Langeweile entstandene Samenstau der JU in Ostfriesland in Wahlwerbung entlädt:
Ich finde diesen Dialekt ja unheimlich putzig. Leider verhindert er nicht, dass in ihm dusseliges Zeug erzählt wird.
Das Fernsehen ist nur noch Mist, wissen wir ja alle. Bis auf ein paar Perlen, die meist laufen, wenn Lack- und Lederdamen um Anrufe bitten. Manchmal kriegt man aber die akzeptablen Sachen auch überhaupt nicht mit - mir zum beispiel mit der heute Show von Oliver Welke passiert, deren Existenz ich mit nur wenigen Monaten Verspätung Dank dem Fernsehlexikon mitbekommen habe.
Vorneweg: Ich halte Oliver Welke weder für einen herausragenden Komiker noch für einen großartigen Moderator, tatsächlich zeichneten sich seine Wixxer-Filme und restlichen Auftritte für mich immer eher durch spannungsfrei vorgetragene Durchschnittspointen aus.
Die heute Show als Format aber (hier muss ich Michael Reufsteck recht geben) hält - erstmals in der deutschen Fernsehgeschichte - den Grad der Fremdscham niedrig genug, dass man den Vergleich mit Jon Stewarts großer Daily Show überhaupt wagen darf: Zwar wirken Welkes Moderationen am Original gemessen noch etwas hölzern und einstudiert, aber den Stil des schnelldenkenden Amerikaners hat er verinnerlicht. Gestik, Mimik, Timing - da stimmt schon sehr viel. Für deutsche Verhältnisse mag auch mancher Gag gar als respektlos durchgehen, und eine Schar hochklassiger Comedy-Writer scheint in Deutschland ja auch gar nicht in amerikanischer Form zu existieren.
Dazu kommt, dass die Show mit einem der deutlich besseren Casts der jüngeren Fernsehzeitrechnung gesegnet ist: Die bei Switch Reloaded aufgeblühte Martina Hill parodiert das Fernsehen einmal mehr bis ins Mark, Martin Sonneborn als Außenreporter lässt seine Gesprächspartner ins Understatement laufen, und selbst der etwas abgenutzte Olaf Schubert leistet als Reporter einen passablen Job.
Alles in allem ist dieses Format näher dran an dieser verflixt guten Daily Show, als alles, was Harald Schmidt in den letzten Jahren, die RTL Samstag Nacht Show in den 90ern, oder Ingolf Lück jemals gemacht hat. Unbedingt reinschauen!