Durch das Fenster nach Außen besehen tragen die Dinge einen Schmutzfilm. Natürlicher könnte man sie kaum sehen. Das Fenster nach Innen: Zugemauert. Dort wohnt ein Tier, das kratzt am Mauerwerk, es scharrt, fletscht die Zähne. Und wartet.
Während ich am 11. Dezember über die Finanzkrise las und an einer Hausarbeit schrieb, habe ich das wichtigere Ereignis dieses Tages verpasst: Blackmail haben sich von Sänger Aydo getrennt. Und mir fällt dazu wirklich nicht mehr ein, als ein gepflegtes "Fuck" in den Kosmos zu senden... wirklich, wirklich schade um diese konstant brillante deutsche Alternative-Band
Wenn ich in dem ganzen Sumpf aus Gier, Borniertheit, Panikmache und instrumentalisierter Angst, kühl berechnender Beschwichtigung und Bankerschelte überhaupt einen vernünftigen Gedanken zum Thema Finanzkrise gelesen habe, dann vermutlich diesen hier.
...und dann habe ich mich gestern im "Chat Noir" umgeblickt, und konnte unter den knapp 120 Gesichtern kein bekanntes entdecken. Was für ein Ödland des Kulturinteresses. Zeit, dass ich Land gewinne.
Es ist nicht so, dass alles schlecht wäre, nein. Tolle Freundin, ein paar solide Leute mit viel zu unregelmäßigem Kontakt, viel zuviel zutun, aber selbstverschuldet und momentan nur drückend, ohne er- davor.
Eher ist es so, dass alles, jeder noch so nichtige Eindruck, der auf die Synapsen niedergeht, auf der Skala irgendwo im unteren Mittelfeld, im leichten Negativbereich, verbucht wird. Das Resultat ist eine gedämpfte Weltsicht, graue Suppe, eintöniges Allerlei, ohne Wertzumessung irgendwo ins Banalitäts-Nirvana verarbeitet. Emotionaler Nihilismus, ein gegen die Außenwelt gerichtetes Nein. Und all das, ohne das je die bewusste Entscheidung dafür gefallen wäre.
Ich hab mir mehrfach vorgestellt, ich hätte VW-Aktien gehabt. Ein gutes Gefühl. Von Krise habe ich aber auch vorher nichts gespürt. Zumindest nicht finanziell.
Was mich oft schmerzt: Wieviel ich schon vergessen habe von den Dingen, die mir einmal unendlich wichtig waren.
Ich erinnere mich an C., wie er beim Headbangen seinen Kopf an einer hölzernen Stuhllehne aufschlug. An L., wie er mir mit besoffenen und aufgerissenen Augen den Titel von Refuseds "New Noise" entgegen brüllte, den er beim DJ in Erfahrung gebracht hatte. An den Geschmack von lauwarmem Ouzo und Erbrochenem, an die spezielle Kälte, die nur morgens um 4 oder 5 Uhr in zugige Partyschuppen dringt, und an die Angst und den Goldrausch von so etwas wie Liebe. Und an die Musik, immer an die Musik.
Fetzen, Bruchstücke, die schon lange kein Bild mehr ergeben, weil die Enden ausgefranst sind, weil die Ratte namens Zeit daran genagt und sie entstellt hat.
Das ist das Hinterhältige an der Jugend: Sie fühlt sich an wie ein ganzes Leben, bedeutsam und erfüllt, und spuckt einen doch nur aus, zerkaut und halb zerrissen.
Seiler müsste man sein. Dann könnte man das Band wieder knüpfen. Wenn die Menschen nur nicht so viele Scheren hätten.