"Niemand bedroht euer Urheberrecht!" - Eine Polemik
Da haben also einige Prominente und mittlerweile überhaupt eine vierstellige Zahl an Kulturschaffenden einen offenen Brief verfasst, in dem sie das Urheberrecht in Gefahr wähnen (dass der Brief von einem Literaturagenten, also einem Verwerter stammt und nur von den Künstlern unterschrieben wurde, sollte man nicht unerwähnt lassen). Mein erster Gedanke war "häh?". Gehen wir das Machwerk also in Ruhe durch.
Mit Sorge und Unverständnis verfolgen wir als Autoren und Künstler die öffentlichen Angriffe gegen das Urheberrecht.
Die da wären? So kann damit alles gemeint sein. Wer etwas anprangern will, sollte es zumindest benennen können.
Das Urheberrecht ist eine historische Errungenschaft bürgerlicher Freiheit gegen feudale Abhängigkeit, und es garantiert die materielle Basis für individuelles geistiges Schaffen.
1. „…und die Fahne der Freiheit flattert stolz auf den Gipfeln unserer Schaffenskunst!“ 2. Wer bestreitet das in welcher Form? Die Diskussion, die ich kenne und immer wieder führe, dreht sich sehr viel stärker um die Verwertungsrechte. Das Urheberrecht wird von nahezu niemandem ernsthaft in Frage gestellt.
Der in diesem Zusammenhang behauptete Interessengegensatz zwischen Urhebern und „Verwertern“ entwirft ein abwegiges Bild unserer Arbeitsrealität.
Wer behauptet diesen „Gegensatz“? Was sich sehr gut behaupten lässt, ist ein Missverhältnis, wenn es darum geht, wie Nutzer, Urheber und Verwerter vom Urheberrecht profitieren. Zugunsten der Verwerter. Wer das nicht sieht, steht vermutlich so weit oben in der künstlerischen Nahrungspyramide, dass er nicht sehen kann, wie es unten eigentlich aussieht.
In einer arbeitsteiligen Gesellschaft geben Künstler die Vermarktung ihrer Werke in die Hände von Verlagen, Galerien, Produzenten oder Verwertungsgesellschaften, wenn diese ihre Interessen bestmöglich vertreten und verteidigen.
Wenn. Bevor die Verwerter die Interessen der Urheber vertreten, vertreten sie allerdings erstmal die Interessen der Verwerter. Was dann übrig bleibt, bekommen die Urheber. Sind die Vorstellungen der Verwerter nicht erfüllt, spüren das die Nutzer und Urheber gleichermaßen. Die Urheber sollten darüber nachdenken, ob sie die richtige Frontlinie ziehen.
Die neuen Realitäten der Digitalisierung und des Internets sind kein Grund, den profanen Diebstahl geistigen Eigentums zu rechtfertigen oder gar seine Legalisierung zu fordern.
Können wir die Worte „Diebstahl“ und „Raubkopie“ endlich streichen und uns auf „Lizenzverletzungen“ einigen? Was man stiehlt, ist danach weg. Und der Fehlschluss, dass alles, was an Medien illegal besorgt wird, ansonsten bezahlt worden wäre, wird nur durch häufige Behauptung auch nicht plötzlich richtig.
Zur Sache an sich: Nehmen ohne zu bezahlen ist scheiße, auch im Internet. Bevor man die ganz große Diskussion um die Gründe für eine existente oder auch nicht existente „Kostenloskultur“ aufmacht, sollte man aber erstmal das eigene Menschenbild abklopfen: Ist der Mensch von Natur aus diebisch und kunstfeindlich? Dann lohnt die Diskussion kaum, denn wer Leute bestraft sehen will, wird Argumente dafür finden. Sollte man aber zu dem Ergebnis kommen, dass es neben der technischen Machbarkeit weitere Motive geben kann, warum Menschen etwas kostenlos und nicht gegen Bezahlung aus dem Netz laden, kann man überlegen, wie man darauf reagiert. Es läuft dann auf die Frage hinaus: Soll die Gesellschaft dem Recht unterworfen werden? Oder das Recht der Gesellschaft vor dem Hintergrund von deren Realitäten dienen?
Im Gegenteil: Es gilt, den Schutz des Urheberrechts zu stärken und den heutigen Bedingungen des schnellen und massenhaften Zugangs zu den Produkten geistiger Arbeit anzupassen.
Absolut. Nur meine ich vermutlich etwas ganz anderes als ihr, liebe Urheber. Nämlich nicht digitales Händeabhacken, sondern die Schaffung fairer Einnahmemodelle, die weder die Künstler und Verwerter als nützliche Idioten einer „Kostenloskultur“ begreifen, noch die Nutzer massiv kriminalisieren und den technischen Fortschritt zurückdrehen wollen. Mit Letzterem kriegt man vielleicht die Gefängnisse voll, nicht aber die Kassen.
Das Urheberrecht ermöglicht, dass wir Künstler und Autoren von unserer Arbeit leben können und schützt uns alle, auch vor global agierenden Internetkonzernen, deren Geschäftsmodell die Entrechtung von Künstlern und Autoren in Kauf nimmt.
Absolut! Nur meine ich nicht Google wie ihr, liebe Urheber, sondern Abmahn-Anwaltskanzleien, Majorlabels und Verlage. Deren Geschäftsmodell ignoriert die Bedürfnisse der Urheber nämlich gerne viel perfider, und zwar mit der Kumpelmasche und Instrumentalisierung für die eigenen Bedürfnisse. Letzteres kann beispielsweise öffentliche Aufrufe von Urhebern im Dienste der Verwerter nach sich ziehen.
Die alltägliche Präsenz und der Nutzen des Internets in unserem Leben kann keinen Diebstahl rechtfertigen und ist keine Entschuldigung für Gier oder Geiz.
Möge man sich das mit der Gier dann auch in den Chefetagen der Verwerter auf die Stirn tätowieren. Geschäftsmodelle wandeln sich und sind kein für alle Zeiten erworbenes Menschenrecht.
Weiterführendes:
Felix Schwenzel bei der taz
Till Kreutzer auf der 2011er re:publica
Leonhard Dobusch auf netzpolitik.org
Berthold Seliger im Freitag
Mit Sorge und Unverständnis verfolgen wir als Autoren und Künstler die öffentlichen Angriffe gegen das Urheberrecht.
Die da wären? So kann damit alles gemeint sein. Wer etwas anprangern will, sollte es zumindest benennen können.
Das Urheberrecht ist eine historische Errungenschaft bürgerlicher Freiheit gegen feudale Abhängigkeit, und es garantiert die materielle Basis für individuelles geistiges Schaffen.
1. „…und die Fahne der Freiheit flattert stolz auf den Gipfeln unserer Schaffenskunst!“ 2. Wer bestreitet das in welcher Form? Die Diskussion, die ich kenne und immer wieder führe, dreht sich sehr viel stärker um die Verwertungsrechte. Das Urheberrecht wird von nahezu niemandem ernsthaft in Frage gestellt.
Der in diesem Zusammenhang behauptete Interessengegensatz zwischen Urhebern und „Verwertern“ entwirft ein abwegiges Bild unserer Arbeitsrealität.
Wer behauptet diesen „Gegensatz“? Was sich sehr gut behaupten lässt, ist ein Missverhältnis, wenn es darum geht, wie Nutzer, Urheber und Verwerter vom Urheberrecht profitieren. Zugunsten der Verwerter. Wer das nicht sieht, steht vermutlich so weit oben in der künstlerischen Nahrungspyramide, dass er nicht sehen kann, wie es unten eigentlich aussieht.
In einer arbeitsteiligen Gesellschaft geben Künstler die Vermarktung ihrer Werke in die Hände von Verlagen, Galerien, Produzenten oder Verwertungsgesellschaften, wenn diese ihre Interessen bestmöglich vertreten und verteidigen.
Wenn. Bevor die Verwerter die Interessen der Urheber vertreten, vertreten sie allerdings erstmal die Interessen der Verwerter. Was dann übrig bleibt, bekommen die Urheber. Sind die Vorstellungen der Verwerter nicht erfüllt, spüren das die Nutzer und Urheber gleichermaßen. Die Urheber sollten darüber nachdenken, ob sie die richtige Frontlinie ziehen.
Die neuen Realitäten der Digitalisierung und des Internets sind kein Grund, den profanen Diebstahl geistigen Eigentums zu rechtfertigen oder gar seine Legalisierung zu fordern.
Können wir die Worte „Diebstahl“ und „Raubkopie“ endlich streichen und uns auf „Lizenzverletzungen“ einigen? Was man stiehlt, ist danach weg. Und der Fehlschluss, dass alles, was an Medien illegal besorgt wird, ansonsten bezahlt worden wäre, wird nur durch häufige Behauptung auch nicht plötzlich richtig.
Zur Sache an sich: Nehmen ohne zu bezahlen ist scheiße, auch im Internet. Bevor man die ganz große Diskussion um die Gründe für eine existente oder auch nicht existente „Kostenloskultur“ aufmacht, sollte man aber erstmal das eigene Menschenbild abklopfen: Ist der Mensch von Natur aus diebisch und kunstfeindlich? Dann lohnt die Diskussion kaum, denn wer Leute bestraft sehen will, wird Argumente dafür finden. Sollte man aber zu dem Ergebnis kommen, dass es neben der technischen Machbarkeit weitere Motive geben kann, warum Menschen etwas kostenlos und nicht gegen Bezahlung aus dem Netz laden, kann man überlegen, wie man darauf reagiert. Es läuft dann auf die Frage hinaus: Soll die Gesellschaft dem Recht unterworfen werden? Oder das Recht der Gesellschaft vor dem Hintergrund von deren Realitäten dienen?
Im Gegenteil: Es gilt, den Schutz des Urheberrechts zu stärken und den heutigen Bedingungen des schnellen und massenhaften Zugangs zu den Produkten geistiger Arbeit anzupassen.
Absolut. Nur meine ich vermutlich etwas ganz anderes als ihr, liebe Urheber. Nämlich nicht digitales Händeabhacken, sondern die Schaffung fairer Einnahmemodelle, die weder die Künstler und Verwerter als nützliche Idioten einer „Kostenloskultur“ begreifen, noch die Nutzer massiv kriminalisieren und den technischen Fortschritt zurückdrehen wollen. Mit Letzterem kriegt man vielleicht die Gefängnisse voll, nicht aber die Kassen.
Das Urheberrecht ermöglicht, dass wir Künstler und Autoren von unserer Arbeit leben können und schützt uns alle, auch vor global agierenden Internetkonzernen, deren Geschäftsmodell die Entrechtung von Künstlern und Autoren in Kauf nimmt.
Absolut! Nur meine ich nicht Google wie ihr, liebe Urheber, sondern Abmahn-Anwaltskanzleien, Majorlabels und Verlage. Deren Geschäftsmodell ignoriert die Bedürfnisse der Urheber nämlich gerne viel perfider, und zwar mit der Kumpelmasche und Instrumentalisierung für die eigenen Bedürfnisse. Letzteres kann beispielsweise öffentliche Aufrufe von Urhebern im Dienste der Verwerter nach sich ziehen.
Die alltägliche Präsenz und der Nutzen des Internets in unserem Leben kann keinen Diebstahl rechtfertigen und ist keine Entschuldigung für Gier oder Geiz.
Möge man sich das mit der Gier dann auch in den Chefetagen der Verwerter auf die Stirn tätowieren. Geschäftsmodelle wandeln sich und sind kein für alle Zeiten erworbenes Menschenrecht.
Weiterführendes:
Felix Schwenzel bei der taz
Till Kreutzer auf der 2011er re:publica
Leonhard Dobusch auf netzpolitik.org
Berthold Seliger im Freitag
DeDe - 11. Mai, 08:54
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