Sonntag, 6. August 2006

Familienfest

Familienfeiern können eine wahre Tortur sein. Die spießige Tante, die einem seit Studienbeginn zur Banklehre/BWL/Jura rät, der Opa, der das Eintreten der/des Enkelin/Enkels in die zweite Dekade des Lebens verpasst hat und immernoch grellgrüne Socken verschenkt, plärrende Kinder von Cousinen, Vertrautheitsgetue mit fast unbekannten Verwandten, immergleiche Streitigkeiten über immer gleiche Themen... man kennt es, oder kennt jemanden, der es kennt.

Manche Familien sind aber nicht nur unglaublich nett, so dass man sich wünscht, dazu zu gehören; manche machen auch noch in en paar Bands Musik. Und gehen dann einfach mal mit ihrem Label inklusive Gästen auf Minitour durch Deutschland. Das Grand Hotel Van Cleef ist so eine Musiker-Familie. Dementsprechend war das GHVC-Festival am gestrigen Abend in den Kaiserthermen Pflichttermin für alle Indie-affinen Menschenkinder Triers.

17 Uhr, Pale stehen in der Running Order vorn und überraschen Nicht-Kenner wie mich mit, nun, einfach guter Musik. Pale sind gut gelaunt, es menschelt auf der Bühne und der Sänger findet, das der Gitarrist eh viel besser singt und jetzt mit seinem Song dran ist. Keine Rock-Show, einfach ein paar Aachener Freunde, die zusammen Musik machen, die sie mögen. Sehr erdig.

Zu den Weakerthans sind Simon, Jan und Ich schon warmgetrunken, es kann losgehen. Thees von Tomte sagt die Jungs an, und freut sich tierisch, sich den Luxus geleistet zu haben, eine seiner Lieblingsbands mit auf Tour nehmen zu können. Auch später sieht man ihn feiernd und kopfnickend im Hintergrund sitzen. Die Weakerthans sind nunmal eine tolle, auch mal melancholische Band, das muss man gut finden. Große Klasse, das. Gegen Ende tauchen diverse Tomte-Mitglieder auf und beteiligen sich mit Perkussion an der Show. Man spürt: die finden sich gegenseitig ziemlich geil.

Dann Tomte. Olli Schulz sagt Thees an und wirkt dabei gut betrunken. Los gehts mit "Geigen bei Wonderful World". Irgendwie fehlt einem da live die tolle Geigenproduktion, aber trotzdem ein schöner, etwas anderer Opener. Dann kommt die klassiche Tomte-Show, die ich dieses Jahr schon ein paar mal gesehen habe: Alle wichtigen Songs, "Schreit den Namen meiner Mutter", "Du bist den ganzen Weg gerannt", "Ich sang die ganze Zeit von dir"... dazwischen erzählt Thees lustige Geschichten, z.B. vom Fan mit dem Tomte Shirt, den er mit "cooles Shirt!" in Trier anquatscht und der einfach weitergeht (ein Top5-Scheitern nennt er das). "New York" bricht er ab und fängt es neu an, weil ihn der "Strichmacher" (Flugzeug) am Himmel abgelenkt hat. Angenehm verspult, der Typ. Am Ende "Schönheit der Chance" und mir fällt zunächst gar nicht auf, das "Korn und Sprite" wieder fehlte.

Gegen 21 Uhr kommen Kettcar zum Zug. Markus Wiebusch sagt kaltschnäuzig "Deiche" an und ab geht die Fahrt. Ich mag diese Hamburger! Basisst Reimer gibt mit seinem Erfolg beim Torwandschiessen an (3 Treffer) und wird dafür von Markus verarscht. Die Band spielt ein (komplett) anderes Set als beim Rocco del Schlacko, was mir gut gefällt. Dieses Mal gibts "Im Taxi weinen", was mich richtig gut draufkommen lässt. Bei "48 Stunden" kommt Thees auf die Bühne, um eine Strophe zu singen, was er solide macht. Markus schnoddert derweil vor sich hin, hat keinen Bock auf einen Song und spielt dann einen neuen. Man glaubt ihnen gern, das das alles irgendwie spontan ist. Am Ende das obligatorische "Balu" mit Akkustik-Klampfe und Keys... schön! Diesmal kein "Ich danke der Academy" oder "Anders als gedacht" aber was solls.

Dann kündigt Thees Olli Schulz & der Hund Marie als irre witzigen Act an (wie ich es seit Stunden bereits vor den anderen tue)... doch es soll anders kommen... besser! Ollis Backing Band rekrutiert sich aus Tomte und anderen GHVC-Musikern, so dass bereits jetzt Family-Feeling auf der Bühne herrscht. Dann kommt Olli und: quatscht. Erstmal spielt er "den "härtesten Countrysong, der je geschrieben wurde", "Die Ankunft der Marsianer". Die Menge ist schon jetzt auf Betriebstemperatur, aber Meister Schulz kennt keine Gande bei seinem Gag-Feuerwerk. Eine Geschichte, wie er bei einem Splatter-Kino-Event eine sprechende Freddy Krüger-Puppe gewann. Eine über den Sänger von Agnostic Front und den Tick, das Mikrokabel wie ein Lederarmband um den Arm zu wickeln. Dazwischen: grandiose Popsongs. "Der Moment", ein neuer namens "Medizin" (den er wegen anhaltender "GUDE LAUNE"-Rufe, auch von Simon und mir, spontan in "Sven Väth" umbenennen will), "Das letzte Königskind", "Song durch die Nacht", "Dann schlägt dein Herz"... als ihm eine Seite reißt, macht er die Metal Nummer im Slipknot-Stil: Alle hocken sich hin, Olli kommt Metal-mäßßig raus, alle springen. Macht höllisch Spaß, und klingt nebenbei erstanulich metal-mäßig. Gute Band und toller Typ eben. Dann noch "Human of the Week", entstanden im schönen Trier, wo Olli die Weakerthans fahren und deren Abrechnung machen sollte, aber immer nur feierte, weil er gerade Mensch der Woche war. Da die Weakerthans grade da sind, missbraucht Olli sie allesamt als Background Chor, Percussion und Gitarrenhelden. Dann kriegt er ein Zeichen und stellt, entgegen seiner Äußerung mitten im Set ("ist doch egal wenn ich heut soviel quatsche, machen wir eben bisschen länger, macht doch nix!") fest, "das ich es wohl wieder überreizt habe, viel Spaß mit Home of the Lame!" 6 Songs in 45 Minuten und wenigstens 1000 strapazierte Zwerchfelle... mein Highlight des Abends!

Felix Gebhardt ist heute der einzige von Home of the Lame und spielt eine Akkustik-Show. Er bemerkt die "verbrannte Erde" die Entertaining-Olli hinterlassen hat und quittiert das mit trockenem Humor. Im Publikum und beim Künstler herrscht tatsächlich einen Moment lang Unsicherheit, wie die ruhigen melancholischen Songs nach der Partyrakete Schulz funktionieren sollen. Trotzdem gehen die wenigsten. Und dann kommen sie alle auf die Bühne: Die Weakerthans, Tomte, Pale, Roadis... rund um Felix setzen sie sich auf die Bühne, hören ihm zu, geben ihm Rückendeckung. Das Publikum reagiert enthusiastisch und plötzlich feiern sie alle Felix, motivieren ihn, seine Lieder zu singen. Weil das alles so schön ist, weil man nicht will, dass das aufhört, das der Moment endet, weil man zu dieser Klicke irgendwie von hier unten dazugehören will, weil man sie alle umarmen möchte! Felix hat eine tolle Stimme und singt seine Songs, die Wenige kalt lassen. Im Hintergrund machen die Grand Hoteler Quatsch, machen Percussion (gern auch mit umfunktionierten Bier- oder Wodkaflaschen a la Tomte-Gitarrist Dennis Becker), spielen Pyrotechniker mit Deo und Feuerzeug oder machen Background Gesang. Und inmitten dieses Liebhab-Events steht Felix und findet das wahrscheinlich alles genauso klasse wie alle Anwesenden. Hier ist man nicht Zuschauer, hier nimmt man Teil. Ein letzter Akkord, dann macht sich die bemenschelte Masse auf ins Forum zur Aftershow-Party, die ungefähr alle Bands angepriesen haben.

Auch im Forum gibt es am Ende des Abends kein "Wir hier oben, ihr da unten". Thees moscht zu Arctic Monkeys und Turbonegro, Reimer legt auf, Olli Schulz philosophiert an der Bar mit den Weakerthans (weshlab ich und Simon zu feige sind, ihn anzuquatschen und superpeinlich wieder abziehen), Pale amüsieren sich vorn, Markus Wiebusch diskutiert mit einem Betrunkenen über Tomte und Felix Gebhardt steht irgendwann mit einem Groupie (?) knutschend neben mir. Bis 5 Uhr morgens tanze und feiere ich mich in Trance...

...ein großartiger Abend, in all seinen Facetten. Ich sage hier mit stolz geschwellter Brust: Ich war nciht nur dabei, ich war Teil des Ganzen! Und es war ganz fantastisch!

Wasserspiele

Seit Freitag liegt ein weiterer gelungener Begood-Gig hinter uns. Nach der halbgaren Vorband, rockten wir uns bei schönstem Dorf-Regenwetter durch unser Set. Die Fanbase war davon erwartungsgemäß nicht erschüttert worden, wenngleich wir Einige aus dem Platzregen retten und zum Gig befördern mussten. Heinz zog den Knicklicht-Trumpf schon früh, einige Betrunkene waren über unsere Songs hocherfreut und ich habe selten soviel während einem Auftritt getrunken; ein großer Spaß.
Höhepunkt: Die Zugabe fiel ins Wasser. Und zwar tatsächlich: 15 cm Wasser standen Dank Wolkenbruch zu der Zeit auf dem Sportplatz und damit auch in unserem Technikpavillon, so dass wir (weil uns unser Leben und unsere Technik lieb sind) noch vor den letzten Songs die Gerätschaften notdürftig unter das Bühnendach retten mussten. Die Bierstände wurden derweil zur Arche Noah der übrig gebliebenen Besucher, die singend und lachend auf den Theken hingen. Gegen 6 Uhr fiel ich nach ab- und einräumen bei yannick in einen gnädigen Schlaf. Was für eine Wasserschlacht...

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Madrid 2007-2008
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