1000 Songs

Samstag, 13. Januar 2007

1000 Songs (3): Pearl Jam - "Black"

Für M.Pearl-Jam-Ten

Manche Songs retten Leben. Dieser hat meines schon zu oft gerettet.

Es ist kaum zu beschreiben, was dieses Lied für mich ist... Man hört es nicht, damit alles besser wird, so einfach ist es ja nicht. Man hört es, weil man dann nicht ganz so allein ist mit seinem Leid, für das es sowieso keine Worte gibt, außer die, die Eddie Vedder dafür einmal gefunden hatte und die einmal gehört immer in einem nachhallen... in diesen 5:44 Minuten hat man die Chance, ein bisschen Hoffnung zu schöpfen, zu spüren, dass es schon Anderen so ging, und dass es bei ihnen ebenso schmerzvoll war, und dass sie trotzdem alle noch am Leben sind... Nicht viel, aber ein Gefühl, an dass man sich nur zu gern lehnt, wenn man doch sonst gerade nichts mehr hat, woran zu glauben sich lohnt.

"Black" ist einer der Songs, die unendlich viel mehr vertonen, als eigentlich möglich ist. Eddie Vedder's Stimme erzählt bereits abseits der Worte die Geschichte von Verlust in all ihrer nicht-Fassbarkeit, ihrer Stille und ihrem ohrenbetäubenden Schreien, ihrer Eindeutigkeit und ihrem Weg des Verdrängens und Wünschens. Und wenn der Song sich dann am Ende von ruhigen Gitarrenklängen zu einem unkontrollierbaren Monster aufgebäumt hat, wenn man die Gänsehaut nicht mehr abschütteln kann und die Augen langsam feucht werden, wenn in jeder Hinsicht die Dämme brechen: Dann lassen sie alle gemeinsam los. Vedder, der sich sein Martyrium von der Seele schreit. Mike McReady, dessen Gitarre klagt und wimmert und sich windet, als wolle sie nicht akzeptieren. Und man selber, wie man da die magischen letzten Worte mitsingt: "All the love gone bad / turned my world to black / Tattooed all I see / all that I am / all I'll ever be...yeah... / I know someday you'll have a beautiful life /I know you'll be a star / In somebody else's sky, but why / Why, why can't it be, why can't it be mine." Warum, warum nur? Immer die eine Frage. Manisch und trotzig schreit Vedder noch "We belong together!" durch den Sound-Orkan, das man selber auf den Lippen hat, dann ist nur noch Musik, die kleine Melodie, die man nie mehr vergisst: Durududu dududuuu.
Und danach ist nichts anders. Aber ein bisschen wärmer ist es. Und das unbestimmte Gefühl, das man vielleicht doch irgendwann Nicken kann, wo man den Kopf schütteln wollte.

Manche Songs retten Leben.

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Donnerstag, 26. Oktober 2006

1000 Songs (2): Rage Against The Machine - "Killing In The Name"

B000025SZ1-01-_SS500_SCLZZZZZZZ_V41115691_Irgendwann 1998: Wir waren alle um die 14. Gerade hatten wir ernsthaft den Alkohol entdeckt, die Mädchen folgten bis auf ein paar unbeholfene Kontaktaufnahmen erst später. Ritualisiert trafen wir uns an den Wochenenden, um unsere Grenzen mit Bier, Sangria und Ouzo auszutesten. Und da war die Musik.

Abba und die Prinzen waren schon lange nicht mehr, doch härtere Sachen wie Fear Factory, oder Bodycount (die damals eigentlich auch schon tot waren, was wir nicht wussten) waren mir irgendwie noch fremd. Erste Gehversuche hatte ich mit Rammsteins erstem Album gemacht, doch etwas fehlte, zu stumpf erschien mir das Ganze. Und dann kam diese Platte: Rage Against The Machine, dto.

Auf jeder Party der Moment, wenn der zweite Track, wenn "Killing In The Name" kam. Dafür ließen wir Bier stehen, Mädchen sitzen und stürzten auf die Tanzfläche (ein Vorgang, der sich bis in die Gegenwart hineinzieht), um gemeinsam zu schreien, unsere Körper durchzuschütteln und uns blaue Flecken zu verpassen.

Das erste Mal, als ich den Track hörte, stand ich noch irritiert dabei, aber ich merkte: hier passiert etwas. Die Energie, die Wut, der Hass des Songs; all das fand in meinem pubertären Gefühlschaos einen dankbaren Nährboden.

Schon die ersten 4 langen Töne... DAM...DAM...DAM...DAM... Tom Morellos Gitarre surrt im Flanger, der Bass brummt bedrohlich und die Hi-Hat zählt die Schläge bis zum Song... das Bass/Gitarren-Intro martert einen, bis endlich Zack de la Rocha die erlösende Parole ausgibt: "Killing In the Name Of!" Ab hier sind alle Gliedmaßen in Bewegung, der Song läßt es anders nicht mehr zu. Der Refrain gewährt einem eine kurze Pause. "Some Of Those That Were Forces Are The Same That Burn Crosses!" Ja, scheiß auf die verlogenen Autoritäten. Gegen Ende steigert sich Zacks Stimme zum Schrei und es bricht aus allen heraus, jeder bangt zu den Schlagzeug-Akzenten, "KILLING IN THE NAME OF!" Und dann wieder Break, "And you do what they told ya!" Nein, Zack, wir nicht, uns sagen die nichts mehr! Das sind die anderen, diese ganzen rückratlosen Feiglinge! Ihnen galten unsere Schreie. Der Übergang zur Strophe, mit dem Text gegen den Rassismus der amerikanischen Weißen. Irgendwann dann das Solo, dass wenigstens 2/3 von uns auf der Luftgitarre fehlerfrei beherrschen. Und die letzte Steigerung... "Fuck you I won't do what ya tell me!" Zu hyperventilierenden Drums, rasender Gitarre und brodelndem Bass brüllen wir (wie Millionen Jugendliche seit 1992) immer wieder die immer lauter wedende Parole, die sich einbrennt, auf die sich notfalls alles reduzieren lässt, die so schön zu uns 1/4-Starken und unserer Haltung passt. Dann nochmal der Bridge-Part, ein letztes "Motherfucker" gibt uns Zack, unser Hohepriester, noch mit an die Hand, dann bleiben nur noch die letzten Schläge des Outros, die wir mit geballten Fäusten wie unsichtbare Holzpfähle in den Boden hämmern.

Wie oft habe ich Lasse zu dem Song am Kragen gepackt, wie oft mit Zeno gebangt, überall haben wir ihn gehört, in unserer Stammkneipe, bei Privatpartys, bei den größeren im Auto, in Rock-Dissen... Ein Song wie 10.000 Volt, pure Energie, und ein unkaputtbarer Klassiker. Mich hat er zudem endgültig aus dem Pop herausgerissen und mir die Welt hinter Offspring, Green Day und Nirvana gezeigt.

Und noch heute, wenn ich ihn irgendwo höre und der Moment gut ist, springe ich in die Menge, ramme meine Ellenbogen in fremde Menschen, schüttele meine Arme, Beine, den Kopf und schreie laut die Parolen mit. Dann stehen am Rand die Mädchen, gucken mich und meinen uncoolen Auftritt an, tuscheln und kichern amüsiert; daneben die Typen (die später die Mädchen mit nach Hause nehmen werden), die Blicke mitleidig bis verächtlich. Mir ist's egal, dieser Song hat soviel für mich getan, er ist ein guter Freund, ich schulde ihm das, und wenn es noch so unangemessen ist. Scheiß drauf, ich bin diese 5:14 Minuten wieder 14 und unangreifbar. "FUCK YOU, I WON'T DO WHAT YA TELL ME!"

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Samstag, 21. Oktober 2006

1000 Songs (1): Nine Inch Nails - "Something I Can Never Have"

Nine-Inch-NailsDer ultimative Schmerzsong der Nine Inch Nails? Die meisten würden wohl heute "Hurt" sagen, evtl. in der Johnny Cash-Version, mit dem traurigen Video, aufgenommen kurz vor seinem Tod.

Der eigentlich aber bewegendere, unendlich schwarze Dämon von einem Song, der sich wie ein schwerer Schleier auf die Nerven legt und nur einen gleichbleibenden, tiefen Schmerz zurücklässt, ist "Something I Can Never Have". Ein Song wie ein angsterfüllter Alptraum, bei dem man aus der Narkose erwacht und unbeweglich, aber bei völliger geistiger Klarheit jeden Schnitt des Skalpells in sich spürt. Hier ist der ganze pathologische Wahnsinn der Gefühlswelt eines Trent Reznor vertont, der den Kampf gegen die Drogen zeitweise verloren hatte, der jahrelang nur wenige Stunden pro Nacht schlief.
Wenn ich den Song höre, habe ich Bilder im Kopf, Bilder von einem Menschen, der sich in einem kalten, leeren Raum vor Angst und Schmerz auf nackten Fliesen windet, unfähig, noch irgendetwas zu tun.
Der Song als ultimativer Ausdruck von schmerzhaftem Verlust, der einen lähmt, ohne Perspektive, ohne Hoffnung. Und für das was man mehr als alles auf der Welt will, und wovon man weiß, das man es nie (wieder) bekommen wird. Ein schwarzer Monolith, ein gebrochenes, kompositorisches Meisterwerk. Schmerz in seiner reinsten Form.

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