Sonntag, 25. Juli 2010

Die Loveparade, das Unglück und die Berichterstattung

Hier nur ein paar Gedanken zu dem Unglück auf der Loveparade und der folgenden Berichterstattung (hätte ich schnell genug geschaltet und alles Auffällige zentral gesammelt, hätte ich hier nun im Wortlaut alle Tweets zitieren können, das geht nun leider nur ausgewählt):

- die WDR-Berichterstattung, insbesondere die der nach meinem Eindruck ehrlich erschütterten Thomas Bug und Catherine Vogel, war akzeptabel - sachlich, nachrichtlich und um eine gewisse Dezenz bemüht (zumindest, solange ich eingeschaltet hatte). So kann man mit einem solchen Ereignis umgehen, erst recht, wenn man ohnehin live berichtet und die Möglichkeit, sich nicht zu äußern, damit bereits ausfällt. Warum einige Leute reflexartig den WDR anpöbeln, ist mir da ein Rätsel - nicht alle Medien sind kapitalistisch motivierte Voyeure, nicht alle Journalisten vergessen auf Kommando Anstand und Ethik.

- die BILD.de-Berichterstattung ist gewohnt unangenehm, ging aber auch nicht über das Maß an Voyeurismus und Pietätlosigkeit hinaus, das das Medium bei vergleichbaren Fällen immer schon an den Tag gelegt hat. Das macht es nicht ein bisschen besser, aber mit den Superlativen, die manche da formulieren, wäre ich vorsichtig. Und wo die Zeitung ausdrücklich Fotos von Toten (nicht: Opfern oder Verletzten, sondern Toten) gezeigt oder vergleichbares angekündigt haben soll (wie vielfach als Tweet oder Retweet zu lesen war) ist mir immer noch ein Rätsel; im Twitter-Account und auf der Webseite habe ich nichts entsprechendes gefunden. UPDATE SIEHE KOMMENTARE

- die plötzliche Aufregung enthemmt gerade auf Twitter viele, so dass sich schnell das Bahn bricht, was ich den "ganz normalen Stammtisch" nennen würde, nur eben ohne die soziale Normierung durch die Anwesenheit anderer. Das ist nicht schön, aber letztlich ein Abbild der Gesellschaft. Eklig wird es stellenweise trotzdem, und manches will ich einfach nicht mehr lesen müssen: nicht die von rechtsaußen herannahende, ans Asoziale grenzende Gefühlskälte von einfach_Yosh ("Oute mich mal als nicht-pflicht-betroffen: Wenn ich auf eine fick-drogen-rave party gehe, weiß ich, dass das übel für mich enden kann"), und auch nicht den hämischen, homophoben, menschenverachtenden Dreck von Lori_ftw ("Da hats mal die richtigen erwischt, die Schwuletten haben sich selbst totgetrampelt, gibts was schöneres? #loveparade"). Stellvertretend für viel anderen schlimmen Scheiß, den ich nicht mehr wiederfinde.

- ähnlich schlimm: Alle, die das Unglück als Anlass nehmen, um relativ zusammenhangslos Tiraden zu ihrem Leib-und-Magen-Thema (Kindersterblichkeit in Afrika, unfähige Politik, böser Kapitalismus, unverschämte Deutsche Bahn, Killerspiele uvm.) loslassen, anstatt beim Thema zu bleiben.

- Werbetweets für Pornos etc. mit dem Hashtag #loveparade zu versehen müsste doch strafrechtlich schon was hergeben, oder?

- dass irgendein Nutzer bei Der Westen vor zwei Tagen kommentierte, bei dem engen Zugang über den (Unglücks-)Tunnel sähe er schon Tote, bedeutet weder, dass das Unglück so wie geschehen unausweichlich war, noch, dass die Veranstalter daran eindeutig die Schuld tragen. Warten wir ausreichend lange die Fakten ab.

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