Samstag, 12. September 2009

Wahl-Wut (I) - Die Öko-Konservativen

(Auch mal BILD-Überschriften machen)

Ich beginne heute mal, ungeordnet gegen Wahlvölker zu pöbeln, die in unserer Republik vertreten sind; je nachdem, wie viele mir einfallen, wird's ne Serie.

Die Öko-Konservativen
Profil: Im Schnitt Mitte 20 bis Anfang 40; im weiteren Sinne wohlhabender/bildungsbürgerlicher Herkunft; je nach Lage knapp noch keine oder bereits Kinder im einstelligen Alter; ihr Tempel ist der Bio-Laden um die Ecke; wählen schon immer "aus Überzeugung" die Grünen; tendenziell liebevoll und einfühlsam, dafür oft recht humorlos, erstrecht beim Thema "Mutter Erde"; machen im Prenzlberg, im Schanzenviertel oder in Sülz die Mieten kaputt.

Die Wut:
Kaum eine Gruppierung regt mich so auf, wie diese. Zum Beispiel, weil sich diese Leute immer noch als politisch links einstufen würden, obwohl ihre letzte linke Aktion war, die Mutter von Mustafa beim Jugendamt anzuschwärzen, weil es dort vier mal die Woche Fischstäbchen gibt. Dabei haben die Öko-Kons die Leistungsideale, die aus der Verkehrung der 68er entstanden sind, selbst bestens verinnerlicht (was sie nicht daran hindert, sich als Fortsetzung von '68 zu begreifen): Ideologisch regiert bei ihnen ein neues Spießbürgertum, dessen Religion das gute Essen ist (der wohl unpolitischste Lebensbereich, klammerte man den Hungerstreik aus). Politik und Kultur nimmt man aufmerksam zur Kenntnis (Lesen ist den Öko-Kons heilig; Kochbücher sind die Bibel), das Engagement endet jedoch mit der Quartalsspende an Amnesty. Stattdessen kümmert man sich aufopferungsvoll um die Familie (die Familie steht bei den Öko-Kons vor allem, sobald Kinder da sind, sogar vor gutem Essen), und verachtet ein bisschen alle, die das nicht genauso machen; denn ihre Kinder sind den Öko-Kons Könige und Heilige (sie sind gewissermaßen die Wachablösung der Kochbücher). So lebt man in seinem modernen Biedermeiertum vor sich hin, ohne sich besonders intensiv am Leben außerhalb der eigenen Blase zu beteiligen. Finanziell ist man längst in der Unabhängigkeit angelangt, BAFöG ist zurückgezahlt (falls die Mutter der Familie nicht nebenbei wieder oder erstmals studiert), man hat geerbt oder das Erbe ein stückweit vorgezogen bekommen; jedenfalls ist Geld kein drängendes Thema. "Krise" bedeutet in dieser Welt, die absurd überteuerten Babyprodukte mal gegen die zweitbesten austauschen zu müssen, wenn der Mann 3-6 Monate Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit zu überbrücken hat (wobei beides unwahrscheinlich ist, da er als Ingenieur für regenerative Energien/Umweltanwalt in einer mittelgroßen Kanzlei/Öko-Spielzeug-Designer davon kaum betroffen sein wird). Trotzdem sagen sie mit dem Masochismus des aufgeklärten politischen Individuums eklig Selbstbeweihräucherndes wie "Wenn man soviel Glück gehabt hat wie wir, muss man auch an andere Menschen denken"; die "anderen Menschen" sitzen aber grundsätzlich weit weg in Afrika oder Vorderasien, wo man keine Angst haben muss, dass ihr Anblick einem den schönen italienischen Abend mit Malfatti und Tiramisu ruiniert, weil man sich selbst in seinem politischen Bewusstsein suhlen muss. Passiert ein Öko-Kon in der Fußgängerzone die Bettelmafia, presst er die Einkaufstüte/Handtasche eng an die Kunstlederjacke und geht mit diszipliniert geradeaus gerichteten Augen vorbei, um einige Meter entfernt erleichtert aufzuseufzen.

All das wäre irgendwie zu verkraften (und die Schnittmenge mit "guten" Leuten ist unübersehbar), wenn die Öko-Kons nicht ein erstaunliches Sendungsbewusstsein mitbringen würden: Man kann nur in ihrem Referenzrahmen mit ihnen kommunizieren, alles außerhalb interessiert sie nicht oder wird misstrauisch beäugt, wenn nicht gleich als Unsinn abgetan. Sie leben nach innen, nicht nach außen, als Traditionalisten bewahren sie, anstatt zu schaffen.

Sie werden auch Ende September wieder Grün wählen. "Aus Überzeugung". Wie verstockt, verkrustet, weltfremd sie bereits sind, dass sie die modernen Biedermeier darstellen und längst viel konservativer als ihre eigenen Eltern gworden sind, obwohl sie schonmal im Berghain bis 16 Uhr getanzt haben und ihren Zöglingen sogar ab und an McDonalds erlauben - das kriegen sie nicht mehr mit. Weil sie es nicht müssen: Es gibt ja genug wie sie. Uff.

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